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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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dass er jede von ihnen haben konnte, und nahm keine. Stattdessen wählte er die Einsamkeit oder wurde von ihr erwählt, und sie war schrecklich und unverbrüchlich. Denn immer noch, in jedem Augenblick, jede Nacht und jeden Tag, zuckte sein Fleisch vor Lust, beschäftigte sich sein Geist unaufhörlich mit dem sexuellen Leben der Männer und Frauen um ihn herum, und diese Gedanken führten dazu, dass er andere Menschen gleichermaßen verachtete und pries. Seine Liebe erstarb mit Emilia und dem Kind, aber seine Begierde blühte in der trockenen Erde seines Herzens weiter, und ihr leises Flüstern in seinem Ohr hörte niemals auf.
    Jetzt, in seinem Fieber, kamen die Frauen zu ihm. In seinem Fieber berührten sie ihn. Ihre Berührung brannte und kühlte zugleich.

6. KAPITEL
    â€¢ • •
    E s schneite drei Tage lang. Catherine langweilte sich derart, dass sie manchmal Angst hatte, den Verstand oder zumindest ihre Fassung zu verlieren. Mitten in dieser Krise durfte sie nicht ihren Plan aus den Augen verlieren. Jeden Abend drehte sie das blaue Fläschchen in ihren Händen und beobachtete durch die Flüssigkeit hindurch den Wirbelsturm. Wie das Bild in einer Schneekugel sah sie, wie es sich vor ihren Augen entfaltete. Jeden Abend betete sie dafür, dass er nicht starb.
    Wenn sie Ralph nicht versorgte, durchstöberte sie die Zimmer, sah sich alles an, berührte jeden Gegenstand und jedes Möbelstück. Sie drehte jeden Teller um, nahm jedes Besteckstück hoch, um den Silberstempel zu sehen. Limoges, Frankreich. Tiffany & Co., New York. Wedgewood. Sie berechnete den Preis jedes einzelnen Stücks und wie viel alles zusammen wert war.
    Die wenigen Gespräche, die sie mit Mrs. Larsen führte, drehten sich entweder um Ralphs Behandlung oder kamen ihr wie Bruchstücke vor, die man aufschnappt, wenn man eine Fremdsprache nur rudimentär versteht.
    Â»Seine Schuhe stehen nie dort, an der Tür. Seine Schuhe stehen an der Kommode. Er bekommt sie aus New York City.«
    Â»Ich räume sie da weg.«
    Â»Nein. Lassen Sie sie stehen. Ich räume sie weg. Ich weiß, wie er alles am liebsten hat.«
    Spät in der Nacht, während sie an seiner Seite saßen: »Schläft jetzt wie ein Baby. Sein Kopf ist so groß wie eine Wassermelone. Er wird nicht sterben.«
    Catherine wusste nie, ob von ihr eine Antwort erwartet wurde. Sie wusste nur sehr wenig darüber, wie man mit anderen Menschen redete.
    Sie schlief auf einem Sessel in seinem Zimmer. Sie trug ihr schlichtes schwarzes Kleid und hörte draußen den Wind heulen. Sie pflegte Ralph voller Zärtlichkeit und sehr geschickt. Drei Mal am Tag saß sie allein an dem funkelnden Tisch und aß das köstliche Essen, das Mrs. Larsen ihr servierte. Eine klare Suppe in Rubinrot. Ein Baiser mit Kastanien. Ente in Senfsauce. Dinge, die sie noch nie gesehen hatte, Gerichte, die sie mit ihrer Schönheit regelrecht erschreckten. Sie fragte Mrs. Larsen, ob sie und ihr Mann nicht mit ihr essen wollten oder ob sie wollten, dass sie mit ihnen in der Küche aß. Doch das war offenkundig nicht vorgesehen, und so aß sie weiter allein am Kopf der enormen Tafel.
    Sie aß mit einem Appetit, der sie erregte und zugleich abstieß. Gehaltvolle Gerichte, die so wenig zu diesem öden Landstrich passten, aber doch Trost vor der Kälte boten. Ihr Hunger wurde noch gesteigert von der Langeweile und der Angst, und er ließ nie nach, ganz gleich, wie viel sie aß.
    Nachts stand sie stundenlang am Fenster, sah zu, wie der Schnee fiel, und sehnte sich nach dem, was sie zurückgelassen hatte. Tagsüber war das Weiß so hell, dass sie ihre Augen vor dem grellen Glanz schützen musste. Sie konnte die Vorhänge nicht länger als ein paar Minuten offen lassen.
    Sie dachte an die Leute, normale Leute, die durch die Straßen der Städte liefen, und sie staunte über die Gewöhnlichkeit ihres Lebens.
    Sie dachte an die Zimmer, die sie hinter sich gelassen hatte, die Zimmer, in denen sie aufwachte und atmete, an die Art, wie sie möbliert waren, daran, wie Stimmen durchs offene Fenster hereindrangen, daran, wie sie durch diese Zimmer lief und weinte. Sie starrte auf die dummen und trägen Leute hinunter, die es irgendwie und auf eine mühelose Weise zu Wege gebracht hatten, all diese kleinen Dinge an sich zu bringen, die ihr entgangen waren.
    Sie besaßen Teller. Sie alle hatten Socken. Die

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