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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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ausgeglichen.
    Er erzählte ihr von Emilia, von dem schockierenden Donnerschlag, mit dem er sich in sie verliebt hatte. Er erzählte Catherine, wie blass ihre Haut war, wie die Blumen in ihrem Haar erzittert waren, wie die Perlen auf ihrer Haut einen rosigen Schimmer erzeugt hatten, wie sie errötet war, wenn er in seinem brüchigen Italienisch sprach. Er erzählte Catherine, dass er Emilia geliebt und wegen der erbarmungslosen Ausschließlichkeit dieser Liebe die Briefe oder Telegramme seines Vaters nicht beantwortet hatte und dass er den Tod seines Vaters verpasst und bei seiner Rückkehr nach Hause nur noch mit seiner schwangeren Frau am Grab seines Vaters hatte niederknien können.
    Er erzählte ihr alles. Er hatte nie jemandem von all diesen Dingen erzählt, aber jetzt erzählte er Catherine alles, weil sie seine Frau werden sollte. Er hatte das Gefühl, dass er ihr zumindest ein Album seiner Vergangenheit schuldig war. Er versuchte mit aller Entschlossenheit, sich nicht selbst zu bemitleiden. Er gab niemand anderem die Schuld, sprach sich auch selbst nicht schuldig, aber er entzog sich auch keinen Augenblick der Verantwortung. Er beschrieb ihr den Geruch des Jasmins in der Luft, das Rascheln der Seide in einem florentinischen Palast, den Staub, der aus den alten, zerschlissenen Vorhängen rieselte, aber er poetisierte diese Dinge nicht, sondern beschrieb einfach nur diese Postkarten aus seiner Vergangenheit, und sie sog diese Informationen in sich auf, als würde sie ganz still in einer öffentlichen Bibliothek lesen.
    Â»Ich war kein guter Sohn. Ich war sorglos und auf eine Art ausschweifend, die ich mir jetzt gar nicht mehr vorstellen kann. Und ich war auch kein guter Vater oder Ehemann, obwohl ich es versucht habe.«
    Etwas an seiner Aufrichtigkeit löste einen Fluchtimpuls in ihr aus. Sie wollte diese Geschichte gar nicht hören. Sie wollte das Ende gar nicht wissen. Es machte ihn zu real. Sie wollte ihn sich nicht als Mensch vorstellen müssen. Sie wollte seinen Herzschlag nicht hören.
    Â»Meine Frau hasste dieses Haus. Nun ja, Sie können selbst sehen … Es war nicht das, was sie gewohnt war. Und sie hasste meine Mutter, und meine Mutter hasste sie, und sie war schwanger. Ich baute ihr ein anderes Haus.«
    Catherine war einen Moment nicht aufmerksam gewesen. Jetzt war sie es wieder.
    Â»Es ist nicht weit von hier. Es hat lange gedauert. Erst holte man einen Architekten aus Italien, der, soweit ich das beurteilen kann, kein Wort Englisch sprach, und dann folgte ihm eine Schiffsladung italienischer Handwerker, und dann wurde unser Kind geboren, Franny.«
    Er knetete nervös seine Hände. Einen winzigen Augenblick lang brach seine Stimme, aber dann fuhr er fort.
    Â»Francesca, so nannte meine Frau sie. Sie war so schön wie … nichts Vergleichbares. Wie Wasser. Wie nur irgendetwas auf dieser Welt. Natürlich sind Babys alle so. Sie war wunderschön und winzig. Jeden Tag trug meine Frau sie in einer Trage nach drüben, wo dieses Ding, dieser Palast, gebaut wurde, und sie plauderten alle miteinander auf Italienisch, bis es dunkel wurde, und dann kam Emilia wieder nach Hause, und sie war zumindest ein bisschen glücklich, jedenfalls eine Zeitlang.
    Ich habe Schecks ausgeschrieben. So viel Geld, ich könnte es gar nicht mehr zählen. Geld, das für Marmortreppen und kostbares Porzellan – etwas davon haben Sie hier gesehen – und für Besteck und Betten aus Italien, die dem Papst oder irgendeinem König gehört hatten, und für Vorhänge und Gemälde floss. Sie war glücklich. Emilia war glücklich, wie ein kleiner Hund mit einem ganz großen Knochen.
    Und dann zogen wir in das Haus ein. Ich wusste nicht, wo ich mich hinsetzen sollte. Ich musste eines der Dienstmädchen fragen, wo ich schlafen sollte. Ich schlief selten neben Emilia, seit wir dort eingezogen waren. Sie hatte ihre eigenen Räume. So ging es zwei Jahre.
    Franny bekam Scharlach. Das passiert bei Babys. In dem Winter bekamen es viele Babys. Sie war zwei. Das Fieber hielt fünf Tage an, und als es vorbei war, war Franny auch fort. Jedenfalls war ihr Verstand fort. Ihr Körper erholte sich wieder, aber nicht ihr Verstand. Ich wusste, dass das, wovor ich immer Angst gehabt hatte, wahr geworden war. Die Lust war ein Gift. Die Lust war eine Krankheit, die mein Kind getötet hatte. Sie war lieb und schlicht und schön und leer wie klares

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