Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
Vom Netzwerk:
war mein eigener Sohn, aber ich konnte seine Nähe nicht ertragen. Er bevorzugte seine Mutter, und so sehr ich mich auch bemühte, ich sah immer ihr Gesicht und ihre Haut und ihre Augen, und ich sah in ihm nur ein verlogenes, berechnendes Spiegelbild von ihr. Es war nicht fair. Ich weiß. Ich weiß, dass es nicht fair war. Ich schlug ihn und schrie ihn an, bis er mich nur noch hasserfüllt ansah, mit einem Hass, der sich nie mehr veränderte, und nein, ich kann es ihm nicht verdenken.
    Nach einer langen Zeit starb mein kleines Mädchen. Sie bekam die Influenza, und ich hielt sie in meinen Armen, und sie starb, und an jenem Tag, an dem sie starb, bin ich durch diese Haustür gegangen und habe sie hinter mir abgeschlossen. Ich habe alles in dem Haus gelassen, diesen ganzen wunderbaren Nippes, den ich aus aller Welt zusammengetragen hatte, nur um meine Frau lächeln zu sehen, und ich bin kein einziges Mal mehr zurückgegangen. Die Kleider hängen immer noch in den Schränken. Ein paar von den Tellern habe ich mitgenommen, Sie haben sie gesehen. Etwas Besteck. Kleine Dinge. Teure Sachen, aber kleine. Bis auf das Sofa. Stellen Sie sich vor. Ich hatte mich daran gewöhnt. Ein gelbes, seidenes Möbelstück. Das Gewicht einer Gabel.
    Ich hatte kein Zuhause. Ich kam hierher. Meine Mutter warf einen einzigen Blick darauf und zog nach Kansas zu ihrer Schwester, ich habe sie nie wiedergesehen. Und ich habe in diesem Haus gewohnt und meinen eigenen Jungen geschlagen, bis er blutüberströmt war, und in dem Augenblick, in dem er alt genug war, ist er weggelaufen. Einen Moment war er noch da, so hübsch, inzwischen vierzehn und spielte diese italienischen Stücke auf dem alten Klavier, nur um mich zu ärgern. Ich sehe es noch vor mir, wie er immer dasaß. Ich habe ihm erzählt, seine Mutter wäre tot, bei einem Brand in Chicago ums Leben gekommen. Es war eine Lüge, aber das habe ich ihm erzählt, und ich sagte ihm, dass ich froh wäre, dass ich bei der Nachricht von ihrem Tod zum ersten Mal in sieben Jahren wieder frei hatte atmen können, und am nächsten Abend war er fort.«
    Er sah zu Catherine auf, als sei ihm gerade erst aufgegangen, dass sie anwesend war. Als bräuchte er einen Moment, um zu begreifen, wer sie überhaupt war.
    Â»Es tut mir leid. Es gibt keine schonende Art, diese Geschichte zu erzählen. Ich habe das noch keiner einzigen Menschenseele erzählt. Jeder weiß Bescheid, aber von mir wissen sie es nicht. Und ich werde es nur einmal erzählen.«
    Sie sah Ralph fest in die Augen, und ihre Hände lagen vollkommen unbewegt in ihrem Schoß. Sie saß da, wie sie es sich selbst vorgenommen hatte, ganz gleich, was er erzählte, sie hatte sich vorgenommen, nicht einmal einen Finger zu rühren, bis er mit seiner Geschichte fertig war. Und dann würde sie eine Entscheidung treffen. Ihr Puls raste. Sie konnte das Klopfen in ihrem Handgelenk spüren.
    Sie wusste, dass die Geschichte beinahe zu Ende war.
    Â»Ich suche ihn seit zwölf Jahren. Ich habe Blumen auf das Grab meiner kleinen Tochter gepflanzt. Und jetzt habe ich ihn gefunden.«
    Allem, was sie sich vorgenommen hatte, zum Trotz, fuhr sie hoch.
    Â»Wo? Er lebt?«
    Â»Er lebt. In Saint Louis. Er spielt Klavier in irgend so einem Bordell. Sie glauben, dass er es ist. Die Detektive. Sie haben schon bei anderen geglaubt, dass er es wäre, aber da stimmte es nicht. Dieses Mal glaube ich, er ist es. Und ich möchte ihn wiederhaben.«
    Â»Warum?«
    Â»Weil er mein Sohn ist. Er ist alles, was ich habe.«
    Â»Ich meine, warum glauben Sie, dass er es ist?«
    Â»Ich habe gehört, wie Sie dieses Stück gespielt haben, die Musik seiner Mutter. Ich wusste immer, dass eines Tages etwas geschehen würde, das mich veranlassen würde, die ganze Geschichte zu erzählen, und das Erzählen würde sie gerade rücken. Es würde ihn zurückbringen, wenn ich sie erzählte. Ich bin nicht abergläubisch. Aber ich glaube das wirklich.«
    Tränen glitzerten in seinen kalten Augen. Er wischte sie nicht weg, schien gar nicht zu bemerken, dass sie da waren. Seine Hände zupften an seiner schwarzen Hose herum und zitterten, er hob sie, um nach etwas Staub zu fassen, der da bei zu nichts zerfiel. Er sah so krank aus. Sie rührte sich nicht.
    Â»Ich habe versucht, ein gutes Leben zu führen. Ich habe versucht, gütig zu sein, ganz gleich, was ich empfand,

Weitere Kostenlose Bücher