Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
kopflastigen Schulkameraden.
Ein Trio hatte sich gerade dabei abgewechselt, ihn an einem kühlen Herbstnachmittag auf einem Rasenstück am St.-Salvator-Kolleghof herumzuschubsen, als eine Stimme ihnen zurief: »Lasst den Jungen in Ruhe.«
Seine Peiniger hatten tatsächlich aufgehört und sich zu dem Neuankömmling umgedreht, um den jungen Mann ungläubig anzusehen, der im Schatten des steinernen Torbogens unter dem Uhrenturm stand. Er war groß und breitschultrig, doch seine Kleidung war schäbig und die Hose viel zu kurz für seine langen Beine. Sein dickes schwarzes Haar war schlecht geschnitten und fiel ihm immer wieder ins Gesicht. Seine hellgrünen Augen waren in einer unmissverständlichen Warnung zusammengekniffen.
Der Anführer von Ians Quälgeistern – ein stämmiger Junge namens Bartimus, der Beine wie Baumstämme und keinen erkennbaren Hals hatte – schnaubte, offensichtlich hocherfreut, ein neues Opfer zum Schikanieren zu haben. »Oder was willst du tun, Highlander? Uns zwingen, Haggis zu essen? Uns zu Tode schlagen mit deinem Dudelsack?«
Als Bartimus und seine Kumpanen breitbeinig zu ihm kamen, spielte ein seltsames Lächeln um die Lippen des Fremden. Seltsamerweise ließ ihn das nur gefährlicher aussehen statt freundlicher. »Ich denke nicht, dass der Dudelsack benötigt werden wird, Jungs. Nach dem zu urteilen, was ich gesehen habe, seid ihr drei sehr wohl in der Lage, euch gegenseitig aus dem Weg zu räumen, ohne dass ich nachhelfen muss.«
Ihr Unglaube wich Wut; die drei Jungen wechselten einen Blick, dann stürzten sie sich gemeinsam auf den Neuankömmling. Ian rannte ihnen nach, wusste zwar nicht, was er tun wollte, wollte aber keinesfalls, dass ein Fremder seinetwegen Prügel bezog. Er hatte erst ein paar Schritte gemacht, als das erste Knirschen von Faust auf Knochen zu hören war, gefolgt von einem hohen Schmerzensschrei.
Stolpernd blieb er stehen und beobachtete mit offenem Mund, was vor sich ging.
Es war nicht der Fremde, der die Prügel bezog, sondern seine Angreifer. Und es geschah nicht nach den ausgeklügelten Regeln, wie Ian sie in Gentleman Jackson’s Boxsalon in London hatte beobachten können, sondern mit einer gnadenlosen Effizienz, die Unbekümmertheit mit brutaler Kraft kombinierte. Nachdem er mit den drei Burschen fertig war, gingen sie nicht länger kraftstrotzend – sie schlichen auf unsicheren Beinen davon.
Mit blutigen Nasen, stöhnend und sich die verrenkten Glieder haltend entfernten sie sich, zweifellos auf der Suche nach einer entlegenen Ecke, wo sie ihre Wunden lecken konnten … weitab von der glotzenden Zuschauermenge, die aufgetaucht war, als die ersten Fäuste flogen. Abgesehen von den Schrammen auf seinen Fingerknöcheln schien der Fremde keine Blessuren davongetragen zu haben.
Sein eigener Stolz regte sich, sodass Ian ihm einen verbitterten Blick zuwarf, als er sich bückte, um seine heruntergefallenen Bücher aufzuheben. »Ich brauche keinen Aufpasser, weißt du. Ich bin bestens in der Lage, auf mich selbst zu achten.«
Der fremde Junge strich sich die Haare aus den Augen. »Aye, und du hast deine Sache ausgezeichnet gemacht, wirklich. Nachdem die drei dir eine blutige Lippe und ein blaues Auge verpasst hatten, hättest du ihnen eine Standpauke gehalten, die sie ihr Lebtag nicht vergessen hätten.«
Ian richtete sich auf, verkniff sich ein widerstrebendes Lächeln. »Ian Hepburn«, stellte er sich vor und bot dem anderen die Hand.
Der junge Mann zögerte, und der Anflug eines Stirnrunzelns glitt über seine Züge, ehe er Ians Hand ergriff und sie heftig schüttelte. »Die meisten meiner Freunde nennen mich einfach Sin.« Er warf den alten Steinmauern, die brütend um den Kolleghof aufragten, einen reuigen Blick zu, und bemerkte halblaut: »Oder wenigstens würden sie das, wenn ich irgendwelche Freunde in diesem gottverlassenen Gefängnis hätte.«
Ermutigt, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, der St. Andrews so sehr hasste wie er selbst, verzichtete Ian darauf, weiter sein Grinsen zurückzuhalten zu versuchen. »Ich fürchte, du wirst auch nicht viele gewinnen, wenn du versuchst, jedes Problem mit deinen gewaltigen Fäusten zu lösen.« Ian schüttelte den Kopf, denn er wunderte sich trotz allem über das Geschick dieser Fäuste. »Wie genau hast du das gelernt?«
»Was? Kämpfen?« Sin zuckte mit den breiten Schultern, als sei nichts weiter dabei, drei Gegner zu erledigen, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten. »Wo ich herkomme, wird ein
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