Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
der Straße zu drängen«, sagte Mendez. »Wir lassen ihn heute wegen Marissa und Gina zur Befragung antanzen.«
»Da wäre ich gern dabei.«
Vince blickte links und rechts die von Bäumen gesäumte Straße hinunter. Es waren keine Häuser zu sehen. Auf der einen Seite lag ein Zitronenhain. Auf der anderen Seite ein künstlich angelegter Teich, an dessen Ufer zottelige Rinder mit langen Hörnern weideten.
»Gehört alles den Bordains«, sagte Mendez. »Sie hat uns erzählt, dass sie exotische Rinder züchtet.«
»Dieser Grund muss ein Vermögen wert sein«, sagte Vince. »Wenn sich Oak Knoll so weiterentwickelt, wird das innerhalb der nächsten zehn Jahre Bauland.«
»Bruce Bordain hat sein Vermögen mit Parkplätzen und Einkaufszentren gemacht, der Typ ist ein Immobilienmogul«, sagte Mendez. »Wenn hier Geld zu machen ist, hebt er als Erster die Hand.«
»Und wenn die gnädige Frau die Barbie-Traumranch nicht aufgeben will?«
»Niemand ermordet brutal eine Frau und schneidet ihr die Brüste ab, nur um sie jemand anderem zur Einschüchterung zu schicken«, sagte Mendez.
»Nein«, stimmte Vince ihm zu. »Hinter der Geschichte steckt viel mehr. Wer immer Marissa Fordham umgebracht hat, hatte es auf sie abgesehen. Bei diesem Mord ging es allein um Marissa Fordham. Diese andere Sache hier … Ich weiß nicht.«
Er sah auf seine Uhr. »Lass uns fahren. Ich will mich vergewissern, dass mit Zahn alles in Ordnung ist.«
Auf dem Weg zum Auto zog er unter seinem Trenchcoat die Schultern ein. Von der Krempe seines Huts tropfte Wasser. Wer behauptete, dass es in Südkalifornien niemals regnete, war ein Lügner. Es regnete, es schüttete, und es wurde verdammt kalt, wenn vom Pazifik her die Stürme übers Land fegten.
»Ich war die halbe Nacht auf und habe mich über dissoziative Störungen kundig gemacht«, sagte er, als sie einstiegen. »Es gibt Überschneidungen mit posttraumatischen Belastungsstörungen, was mich nicht überrascht. Ich will sichergehen, dass ich bei Zahn mit der Erinnerung an den Mord an seiner Mutter keinen dauerhaften Realitätsverlust ausgelöst habe.«
»Du konntest doch nicht wissen, dass so was passiert, Vince«, sagte Mendez. »Wie du selbst gesagt hast: Eine echte Dissoziation kommt selten vor.«
»Das schon, aber ich fühle mich trotzdem verantwortlich«, gestand Vince. »Ich wusste schließlich, dass er labil ist.«
»Als du gestern weg bist, war Nasser bei ihm.«
»Ja, ich weiß.« Aber trotzdem …, dachte Vince. Er hatte die Schuldgefühle nicht abschütteln können. Er hatte das Schloss zu der verborgenen Kammer in Zander Zahns Geist aufgebrochen, in der sich die Erinnerungen an das befanden, was mit seiner Mutter geschehen war – was er seiner Mutter angetan hatte. Was, wenn es Zahn nicht gelang, diese Kammer wieder zu verschließen?
Vielleicht hatte auch Marissa sie geöffnet, unwissentlich, und einen furchtbaren Preis dafür gezahlt.
»Außerdem war es Zahn, der davon angefangen hat«, fuhr Mendez fort, während er den Motor anließ. »So empfindlich kann er in dieser Hinsicht also nicht sein.«
»Es ist eine Sache zu sagen: ›Ich habe meine Mutter umgebracht‹, und eine andere, das Ganze noch einmal in Technicolor zu durchleben«, sagte Vince.
Rudy Nasser empfing sie am Tor zu Zahns Haus. Zum Schutz gegen das scheußliche Wetter trug er eine schwarze Regenjacke und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
»Wie ging es ihm, nachdem ich gestern weg war?«, fragte Vince auf dem Weg zum Haus.
»Ganz gut.«
»Er war also nicht aufgeregt?«
»Nein, warum?«, fragte Nasser mit misstrauischem Blick. »Was war denn los?«
»Ich habe mit ihm über seine Mutter gesprochen.«
»Er hat sie nicht wirklich umgebracht, oder?«
»Er stand jedenfalls nie vor Gericht deswegen«, sagte Vince ausweichend. Es stand ihm nicht zu, die Geschichte von Zander Zahn zu erzählen. Wenn Zahn wollte, dass Nasser sie kannte, dann würde er sie ihm selbst erzählen.
»Das Gespräch hat ein paar schlimme Erinnerungen bei ihm wachgerufen«, sagte er. »Es tut mir leid, dass ich ihn aufgeregt habe.«
Nasser drückte auf die Klingel an Zahns Tür. »Sie sind den Umgang mit ihm nicht gewohnt. Den meisten Leuten fällt es schwer, eine Unterhaltung mit ihm zu führen. Sein Verstand funktioniert nach anderen Regeln.«
Er drückte erneut auf die Klingel, runzelte die Stirn und streifte den Ärmel seiner Regenjacke zurück, um einen Blick auf seine Uhr zu werfen.
»Vielleicht schläft er noch«,
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