Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
meinte Vince.
Nasser schüttelte den Kopf. »Er ist ein absolutes Gewohnheitstier und steht jeden Tag um drei Uhr morgens auf, um zu meditieren.«
Und anschließend wanderte er über die Hügel zu Marissa Fordhams Haus, erinnerte sich Vince. Jeden Tag.
»Er meditiert, dann macht er seinen Spaziergang«, sagte Nasser. »Er müsste längst zurück sein.«
»Er geht auch im Regen spazieren?«, fragte Mendez.
»Der Spaziergang ist ein Ritual«, erklärte Nasser. »Bei Regen, bei Sonnenschein, völlig egal.«
»Sie haben einen Schlüssel«, sagte Vince, der zusehends nervöser wurde. »Sperren Sie bitte auf.«
Nasser ließ sie hinein und rief nach Zahn. Im Haus war es still.
Nasser rief noch einmal.
Die Stille dröhnte in Vinces Ohren.
»Wo ist sein Schlafzimmer?«, fragte er.
»Oben links.«
Um die Treppe hinaufzukommen, mussten sie sich zwischen hohen Stapeln National Geographic durchquetschen. Nasser klopfte an die geschlossene Tür von Zahns Schlafzimmer.
»Zander? Ich bin’s, Rudy.«
Nicht einmal ein Lufthauch regte sich.
Vince drehte den Knauf und öffnete die Tür.
Im Gegensatz zum Rest des Hauses war Zahns Schlafzimmer nahezu leer. Er schien sich den kleinsten Raum zum Schlafen ausgesucht zu haben. Die einzigen Möbelstücke waren das Bett – ordentlich gemacht –, eine Kommode, ein Nachttischchen mit einer Lampe und ein Stuhl. Drei der Wände waren leer. An der vierten hing eine riesige Sammlung Fotos von Marissa und Haley.
Die Fotos reichten zurück bis zu der Zeit, als Haley noch ein Baby mit unglaublich großen braunen Augen und einem Mündchen wie einer Rosenknospe gewesen war. Schnappschüsse von Marissa und Haley wechselten sich mit verblassten, aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnittenen Bildern ab, auf denen Marissa und ihre Arbeiten zu sehen waren. Marissa und Gina beim Picknick. Haley am Strand. Haley mit etwa einem Jahr, wie sie Zahn eine Blume entgegenhielt. Zahn wirkte unsicher, wie er auf diese spontane Geste reagieren sollte.
Vince hatte in seinem Leben schon einige Schreine gesehen – Schreine, die von sexuell besessenen Tätern errichtet worden waren. Zahns Fotosammlung gehörte nicht dazu. Marissa und Haley waren seine Familie gewesen. Es hatte nichts Sexuelles oder Finsteres an sich.
Er ging in das kleine blitzsaubere Bad und stellte zu seiner Beruhigung fest, dass Zander Zahn nicht an der Duschvorhangstange hing.
Daraufhin teilten sich die drei Männer auf und suchten jeweils einen Bereich des Hauses nach Zahn ab.
»Er ist nicht da«, sagte Mendez, als sie sich in der Diele wieder trafen. »Aber das musst du dir ansehen.«
Er führte sie durch einen mit Garderobenständern vollgestellten Flur in ein Zimmer auf der Rückseite des Hauses. Die Wände waren mit Regalen vollgestellt, und in der Mitte standen Tische, auf denen wie in den Regalen und auf jedem anderen freien Fleck künstliche Körperteile lagen.
Es gab Kunststoffarme mit Greifhaken oder Händen, ganze Beine, Unterschenkel, Hände, Füße, weibliche Brüste.
Ein Regal war von oben bis unten mit Brustprothesen in jeder erdenklichen Größe und Form gefüllt.
»Jetzt sag bloß nicht, das ist nicht unheimlich«, knurrte Mendez.
Vince ließ seinen Blick über all die Ersatzkörperteile wandern und fragte sich, woher Zahn sie wohl hatte und warum er den Zwang verspürte, sie in seinem Haus zu sammeln.
»Betrachte es von der positiven Seite, mein Junge«, sagte er. »Wenigstens sind sie nicht echt.«
56
»Er hat ein Auto, das er laut Nassers Aussage nur selten benutzt«, sagte Mendez. »Es steht in der Garage. Von Zahn keine Spur.«
Sie saßen im Pausenraum, wo auf dem Monitor Detective Trammell bei der Befragung von Bob Copetti zu sehen war, einem ortsansässigen Architekten, der hin und wieder mit Marissa Fordham ausgegangen war. Der Ton war leise gestellt. Copettis Alibi für die Mordnacht war bereits überprüft worden.
»Irgendetwas Verdächtiges?«, fragte Dixon.
»Nein.«
»Könnte er mit einem Freund irgendwohin gefahren sein?«
»Er hat keine Freunde.«
»Er unternimmt jeden Morgen einen längeren Spaziergang«, sagte Vince und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. »Vielleicht ist ihm unterwegs etwas zugestoßen.«
»Es gießt wie aus Kübeln«, wandte Dixon ein.
»Jeden Morgen, ohne Ausnahme. Er ist ein Gewohnheitstier«, erklärte Vince und rührte eine Extraportion Kaffeesahne in seine Tasse. »Der Umstand, dass er nicht da ist, wo er sein sollte, ist ein ernstzunehmendes
Weitere Kostenlose Bücher