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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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fragte sich, ob eine Spannungsspitze dafür verantwortlich sein konnte, und schielte zur Steckdose an der Wand. Zwar konnte er sie im Dunkeln kaum erkennen, aber soweit er es beurteilen konnte, bestand kein Grund zur Sorge. Weder Funken noch Rauch waren zu sehen.
    Levi glitt aus dem Bett und erschauderte, als seine nackten Füße den Boden berührten. Bildete er sich das nur ein, oder war es im Zimmer merklich kälter geworden? Eine Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus und nistete sich in seinem Nacken ein. Er stand auf, ging mit schnellen Schritten zu der kleinen schlichten Kommode und öffnete die oberste Schublade. Rasch zog er sich an. Er betastete die Tasche über der linken Brust und spürte eine beruhigende Ausbuchtung an der Stelle, wo seine eselsohrige, abgegriffene Ausgabe von Der lange verborgene Freund steckte. Das Buch war ein altes Familienerbstück. Es hatte seinem Vater gehört und davor dessen Vater. Levi ging nie ohne das schmale Bändchen aus dem Haus. Auf dem Vorsatzblatt stand Folgendes:
Wer immer dieses Buch bei sich trägt, ist sicher vor allen Feinden, ob sichtbar oder unsichtbar; und wer immer dieses Buch bei sich trägt, kann nicht ohne den heiligen Leichnam Jesu Christi sterben; er kann in keinem Wasser ertränkt und von keinem Feuer verbrannt werden; und es kann kein ungerechtes Urteil über ihn gefällt werden.
    Levi hatte nie einen Grund gehabt, den Wahrheitsgehalt der Inschrift anzuzweifeln, abgesehen vielleicht vom letzten Teil, der die ungerechten Urteile betraf, denn ihnen war er nur allzu oft zum Opfer gefallen. Manchmal hatte er den Eindruck, sein ganzes Leben sei eine schnelle Abfolge ungerechter Urteile.
    Nachdem er sich angezogen hatte, ließ Levi die Hände locker an den Seiten seines Körpers herabbaumeln, schloss die Augen und wartete. Seine Atmung verlangsamte sich. Die Welt schien innezuhalten, als er sich konzentrierte.
    Nach einigen Momenten spürte er es. Er schlug die Augen wieder auf. Etwas näherte sich.
    Nein, es näherte sich nicht. Es war bereits hier .
    »Mein Gott …«
    Mit rasendem Puls spurtete Levi zum Fenster und achtete nicht länger darauf, ob seine Gastgeberin und ihre Freundin mitbekamen, dass er aufgewacht war. Er blickte durch die Scheibe im ersten Stock und beobachtete die Straße. Sein Herz schlug zunehmend schneller, als er das Zimmer durchquerte und die Tür aufriss. Er rannte zum Treppenhaus und murmelte ein Schutzgebet gegen das Böse, als er immer zwei Stufen auf einmal nahm, um so schnell wie möglich das Erdgeschoss zu erreichen.
    »Ut nemo in sense tentat, descendere nemo. At prece denti spectaur mantica tergo. Hecate. Hecate. Hecate.«
    Die letzten vier Stufen sprang er. Seine Stiefel landeten mit einem lauten Poltern auf dem Dielenboden, und seine Zähne klackten aufeinander. Bilderrahmen und andere Gegenstände an der Wand erzitterten. Ein Deckenlüfter schaukelte hin und her; Staub rieselte herab. Mrs. Laudry und Mrs. Danbury stürmten in den Raum, als Levi auf die Haustür zusteuerte.
    »Mr. Stoltzfus«, stieß Esther hervor. »Was ist? Stimmt etwas nicht?«
    Levi drehte sich zu den beiden um. Die Angst und Verunsicherung, die er in ihren Gesichtern sah, glich einem Spiegelbild dessen, was er im Herzen empfand. Er versuchte, Ruhe auszustrahlen.
    »Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, meine Damen, aber ich muss Sie beide eindringlich bitten, das Haus nicht zu verlassen.«
    »Warum?« Esthers Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Hat es etwas mit dem Stromausfall zu tun?«
    Er nickte. »Vermutlich.«
    »Die Telefone sind ebenfalls ausgefallen. Was ist denn los?«
    »Ich bin sicher, es ist nichts, aber ich dachte, ich sehe mich kurz auf Ihrem Grundstück um und vergewissere mich, dass alles in Ordnung ist.«
    »Haben Sie etwas gehört?«, fragte Myrtle. »Ist jemand draußen?«
    »Keineswegs. Zumindest glaube ich das nicht. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, mehr nicht. Aber ich kümmere mich darum. Sie beide sollten in einer solchen Nacht nicht draußen sein. Es ist das Mindeste, was ich tun kann, um mich für Ihre großzügige Gastfreundschaft erkenntlich zu zeigen. Außerdem kann ich die Gelegenheit nutzen, um nachzusehen, ob mein Pferdewagen in Sicherheit ist. Ich besitze nicht viel, aber ich würde nicht wollen, dass jemand während eines Stromausfalls meine wenigen Habseligkeiten plündert.«
    »Oh«, erwiderte Esther, »das würde hier nie passieren. In Brinkley Springs passiert überhaupt nie etwas. Vor allem

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