Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
Schlafzimmer rannte. Das Klopfen setzte sich langsam und rhythmisch fort. Randy ballte die Hände zu Fäusten und stand auf. Er hatte den Eindruck, sehr lange dafür zu brauchen. Sein Herz pochte heftig in der Brust, und seine Ohren fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Da er aufgrund der Vorhänge vor den Glastüren nichts erkennen konnte, lief er vorsichtig auf sie zu. Sam, Stephanie und seine Mutter beobachteten ihn entsetzt.
»Randy!« Cindy streckte die Hand nach ihm aus. »Bleib hier.«
Klopf … klopf … klopf …
Er schüttelte den Kopf und drehte sich nicht um.
Seine Mutter rief erneut nach ihm, diesmal lauter. Randy ignorierte sie, schwenkte ungeduldig die Hand und hielt weiter auf die Küche zu.
»Mann …« Sam gab einen erstickten Laut von sich. »Du hast doch gehört, was dein Dad gesagt hat.«
Randy ignorierte sie beide. Besorgte Worte hätte er nur aus dem Mund von Stephanie gern gehört, doch die Angst hatte ihr anscheinend die Sprache verschlagen. Er starrte auf die Türen und fragte sich, was da in der Nacht lauern mochte.
Klopf-klopf … klopf-klopf … klopf-klopf …
Randy schluckte schwer und setzte entschlossen einen Fuß vor den anderen. Was immer sich dort draußen befinden mochte, er würde nicht zulassen, dass es seinen Freunden und seiner Familie weiter Angst einjagte. Er ließ den Blick auf die Türen gerichtet und spürte, wie der Teppichboden des Wohnzimmers unter seinen Füßen in Linoleum überging. Er wich dem Küchentisch aus und arbeitete sich weiter voran. In der Küche war es noch dunkler als im Wohnzimmer. Er wünschte sich, er hätte die Kerze mitgenommen.
Das Klopfen wurde eindringlicher, wich einem hektischen Stakkato. Randy blieb vor den Glastüren stehen und erkannte: Was immer das Geräusch verursachte, musste sich dicht am Boden befinden. Er streckte die Finger nach den Vorhängen aus und hoffte, dass Stephanie nicht sehen konnte, wie sehr seine Hand zitterte.
»Randy Elmore Cummings …«
Randy zuckte zusammen. Seine Hand verharrte mitten in der Luft.
Verängstigt hin, verängstigt her – seine Mutter meinte es ernst. Den zweiten Vornamen benutzte sie nur, wenn sie stinksauer auf ihn war. Schlimmer noch, damit kannten seine besten Freunde nun seinen zweiten Vornamen – nachdem es ihm gelungen war, ihn 18 Jahre lang vor ihnen geheim zu halten. Kopfschüttelnd griff er erneut nach den Vorhängen. Das Klopfen wurde lauter, als hätte die Verzögerung den Unbekannten auf der anderen Seite der Verandatür zusätzlich in Fahrt gebracht. Randys Finger berührten den rauen Stoff.
Klopf-klopf-klopf-klopf-klopf-klopf …
Eine Hand sauste auf seine Schulter herab und drückte sie kräftig. Randy schrie auf, sowohl vor Schmerz als auch vor Überraschung. Er hob den Blick. Neben ihm stand sein Vater, die Pistole in der Faust. Obwohl Randy die Waffe in der Vergangenheit häufig abgefeuert hatte, kam sie ihm jetzt bedrohlicher vor als in seiner Erinnerung.
»Dad …«
Jerry zog die Hand von der Schulter seines Sohnes zurück und hob einen Finger an die Lippen. Randy verstummte. Das Klopfen auf dem Glas setzte sich hektisch und aufgekratzt fort.
Dann gesellte sich ein trockenes Rascheln dazu. Randy hielt den Atem an. Jerry packte den Vorhang und zog ihn mit einem raschen Ruck beiseite.
Auf der anderen Seite der Scheibe hockte eine große schwarze Krähe, die mit dem Schnabel gegen die Tür klopfte. Sie hörte auf, legte den Kopf schief und starrte sie an. Sowohl Randy als auch sein Vater atmeten gleichzeitig erleichtert aus. Dann lachte Jerry.
»Was denn?«, rief Sam. »Was ist da draußen?«
Jerry drehte sich zu den anderen um. »Nur ein Vogel. Das ist alles. Bloß eine hässliche, alte Krähe. Noch dazu ein Riesenviech.«
Die anderen murmelten miteinander, und Randy, der sich nach wie vor auf den Vogel konzentrierte, erkannte Erleichterung in ihren Stimmen. Er wollte etwas sagen, doch plötzlich verschlug es ihm den Atem. Der Vogel veränderte sich. Vor seinen Augen verschwammen die Konturen des Tieres. Und dann verwandelte es sich.
Ein großer Mann, völlig in Schwarz gekleidet, stand auf der Terrasse, wo sich noch eine Sekunde zuvor eine Krähe befunden hatte. Er grinste Randy an und entblößte dabei zwei Reihen mit weißen Zähnen. Zu viele. Randy fand nicht, dass Menschen so viele Zähne im Mund haben sollten.
Der Mann in Schwarz hob eine Faust. Randy stieß leise einen kläglichen Laut aus. »Dad …«
Immer noch über beide Ohren grinsend,
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