Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
Vom Netzwerk:
Möglicherweise verdankte er es gerade ihrer Unvorsichtigkeit, dass ihn der Herr hierhergeleitet hatte, um zu helfen.
    »Du stinkst nach Magie.« Die Stimme der Kreatur ertönte als heiseres, rauchiges Flüstern, als rieselte ihr Schotter oder Erde durch die Kehle.
    »Und du stinkst nach Blut und Eingeweiden.«
    »So ist es. Und jetzt werde ich dein Blut und deine Eingeweide dem Gestank hinzufügen, ebenso die derjenigen in deinem Rücken.«
    »Du kannst es versuchen, aber ich warne dich. Diese zwei stehen unter meinem besonderen Schutz. Du wirst jämmerlich versagen.«
    »Mach dich nicht lächerlich. Du bist schwach. Du magst vielleicht etwas vom Handwerk verstehen, nur wird dich das nicht retten.«
    »Das bleibt abzuwarten.« Levi hatte Mühe, seiner Stimme einen ruhigen Klang und seiner Miene einen gelassenen Ausdruck zu verleihen. »Sag, mit wem habe ich die Ehre?«
    »Was bist du doch höflich. Ich bin beeindruckt. Die meisten dieser Kreaturen laufen bloß vor mir weg, kreischen oder versuchen vergeblich, sich zur Wehr zu setzen. Du hingegen suchst den Dialog. Du bist ein wahrer Gentleman. Und da du so höflich gefragt hast: Mein Name ist Samuel.«
    Levi schwieg einen Moment. »Samuel?«
    Die Kreatur lachte. »Du erbärmlicher Fleischsack. Natürlich lautet mein Name nicht Samuel. Hast du ernsthaft geglaubt, ich würde dir meinen wahren Namen verraten?«
    »Wohl nicht, aber es schadet nie, es zu versuchen.« Levi gab die Scharade auf und zitierte einen Abschnitt aus Der lange verborgene Freund, was in gewisser Weise einer Herausforderung gleichkam. »Enoch und Elias, die zwei Propheten, die waren nie gefangen noch gebunden, noch geschlagen, und kamen nie aus ihrer Gewalt.«
    »Ach, ist das wirklich so?«
    Levi ignorierte die Unterbrechung und fuhr mit lauterer Stimme fort: »Also muss keiner meiner Feinde an meinem Leib und Leben mich beschädigen, verletzen oder angreifen können. Im Namen Gottes des Vaters …«
    »Meinst du nicht eher ›des Zerstörers‹?«
    »… des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ut nemo in sense tentat, descendere nemo. At precedenti spectatur mantica tergo .«
    Als er das Zitat beendet hatte, erschlafften Levis Schultern. Keuchend und schweißüberströmt stand er da und wartete die Reaktion seines Gegners ab. Als die Erwiderung endlich kam, entsprach sie ganz und gar nicht dem, was Levi erwartet hatte.
    »Bist du fertig, kleiner Magus?«
    Ein Zucken durchlief Levis Magen. Mit einem Mal wurde ihm ungeheuer kalt. Die Kreatur war nicht böse – jedenfalls nicht in weltlichem Sinne. Er hatte sich unzählige Male mit dem Bösen konfrontiert gesehen. Levi hatte am eigenen Leib erlebt, welchen Schaden es anzurichten vermochte. Er war dem Bösen sowohl in Menschengestalt als auch in anderem Gewand begegnet. Wenngleich sowohl die Absichten dieser Kreatur als auch die von ihr begangenen Handlungen eindeutig böse waren, verkörperte sie keinen Handlanger des Teufels und entstammte auch keiner der Unterwelten.
    Wäre sein Gegner in einer Höllengrube gezeugt worden oder satanischen Ursprungs gewesen, hätte er vehement – unter Umständen sogar gewalttätig – auf seine Herausforderung reagiert. Der Umstand, dass ihn das Wesen lediglich verhöhnt hatte, verriet Levi, dass es sich um etwas völlig anderes handelte, etwas jenseits des jüdisch-christlichen Pantheons oder einer sonstigen der bedeutenden Weltreligionen. Diese Kreatur verkörperte nicht das Böse, sondern etwas wesentlich Schlimmeres. Levi kannte nur ein Pantheon, dem er diese Merkmale zuordnen konnte: die Dreizehn – eine Rasse von Wesen, die man weder als Götter noch als Dämonen bezeichnen konnte. Sie ließen sich eher als Überreste aus einem Universum einstufen, das lange vor diesem existiert hatte. Älter als sie war nichts, nicht einmal die Sterne. Konzepte wie Gut und Böse entzogen sich ihrer Wahrnehmung und waren für sie so belanglos wie ein Menschenleben.
    Nur einer der Dreizehn hätte auf Levis Herausforderung so reagiert wie dieses Geschöpf. Allerdings ergab auch das keinen Sinn. Levi wusste von allen Dreizehn, und auf keinen passte die Beschreibung dieses Wesens. Rasch ging er sie alle in Gedanken durch. Ob, Ab und Api. Leviathan und Behemoth. Kandara. Meeble. Purturabo. Nodens. Shtar, Kat, Apu und …
    Hinter sich hörte Levi Schritte im Gras, als Donny und Marsha langsam zurückwichen.
    »Möchtest du sonst noch etwas loswerden?« Im herablassenden Tonfall der Kreatur schwangen Ungeduld und Langeweile mit.

Weitere Kostenlose Bücher