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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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ihre anschaulichen Schilderungen.
    Werwölfe galten als bekannteste Ausprägung, doch das Phänomen ging weit über Lykanthropie hinaus. Aus zahlreichen indianischen, chinesischen, westafrikanischen, zentralamerikanischen und pazifischen Inselkulturen waren Fälle von Menschen bekannt, die sich in Hunde, Katzen, Bären, Keiler, Eulen, Leoparden, Geparden, Hyänen, Löwen, Echsen und sogar Haie verwandelt hatten. Manche Gelehrte vertraten die Auffassung, dass Mythen über Zentauren und Meerjungfrauen ebenso auf dieses Phänomen zurückgingen wie Schilderungen von Hybridgottheiten aus Mensch und Tier wie Ra und Anubis, doch Levi wusste es besser. Ein Großteil dessen, was die Menschheit als kollektives Wissen über Religion, Übersinnliches und die eigene Geschichte betrachtete, beruhte auf falschen Daten. Was das Verständnis der Menschen von Gestaltwandlung betraf, verhielt es sich ganz ähnlich.
    »Heilige Scheiße«, stieß Donny hervor.
    Marsha konnte nur zustimmend wimmern.
    Der Schemen nahm Gestalt an und richtete sich zu voller Größe auf. Es handelte sich um einen Mann, der schwarze, altmodische Kleidung trug, neben der sich Levis Aufmachung geradezu gewagt ausnahm. Als Levi den Hut, den Mantel und die übrigen Gewänder betrachtete, die in puritanischem Stil gehalten waren, musste er an den »Schrecken von Salem« denken: Reverend Cotton Mather – Wissenschaftler, Theologe und Hexenjäger. Das Gesicht des Unbekannten schien ständig von Schatten umgeben zu sein. Nur die grausamen Augen und ein noch grausamerer Mund zeichneten sich deutlich ab. Der Anblick erfüllte Levi mit Beklommenheit.
    So schnell, dachte er. Die Kreatur hat sich in einem unglaublichen Tempo verwandelt. Womit habe ich es hier zu tun? Was sind das für Wesen, Herr?
    Was immer es sein mochte, es handelte sich definitiv nicht um einen gewöhnlichen Gestaltwandler. Wenn sich ein Mensch in einen Wolf, einen Vogel oder etwas Ähnliches und anschließend wieder zurück in seine humanoide Gestalt verwandelte, umgab ihn eine Aura, so wie alle menschlichen Wesen. Levi hatte von Geburt an die Gabe besessen, Auren wahrnehmen zu können, und sein Vater sowie sein Großvater hatten ihm schon als Kind beigebracht, sie zu deuten. Wie bei Schneeflocken gab es keine zwei, die identisch waren.
    Ihre Farben unterschieden sich voneinander und erstreckten sich über das gesamte Spektrum. Ein geschultes Auge vermochte zu beurteilen, ob ein Mensch gesund oder krank, glücklich oder traurig war, indem er sich auf die Farbe der Aura konzentrierte. Jeder Abstufung und Schattierung ließ sich eine Information entlocken. Levi erfuhr eine Menge über den Mann, der vor ihnen stand, indem er in seiner Aura las. Sie war so schwarz wie die Schatten, die sein Gesicht verhüllten, und die seltsame Kleidung, die seinen Körper bedeckte. Menschliche Auren waren niemals schwarz. Was bedeutete, dass dieser Mann etwas anderes verkörpern musste.
    Etwas Unmenschliches.
    Das allein jagte Levi keine Angst ein. Im Verlauf der Jahre hatte er des Öfteren mit übernatürlichen Wesen zu tun gehabt. Erst vor zwei Jahren hatte er Nodens besiegt, den Mächtigsten der Dreizehn, und die Versuche des Wesens vereitelt, die Mauern der Erde zu durchbrechen, um sie in ewige Finsternis zu hüllen und alles Leben auszulöschen. Ihr Kampf hatte mit einer Konfrontation ähnlich wie dieser begonnen. Levi war einer auf den ersten Blick menschlichen Frau mit einer dunklen Aura begegnet. Als er sie untersuchte, fand er rasch heraus, dass die Frau nur eine leere Hülle darstellte. Ihr Körper war von Nodens übernommen worden. Sie diente als Transportmittel, weiter nichts.
    Bei dem Wesen, das nun vor ihm stand, verhielt es sich anders. Stumm entsandte Levi seinen Geist, um es abzutasten. Wenngleich die Kreatur – denn als Mann konnte Levi sie nicht länger betrachten – Verachtung und Bösartigkeit ausstrahlte, war es nicht der allumfassende, überwältigende Nihilismus, der von einer Gottheit wie Nodens ausging. Er stand einem weitaus weniger mächtigen Gegner gegenüber. Vielleicht einem Avatar, einer übersinnlichen Projektion. Vielleicht sogar einem unbedeutenden Dämon. Allerdings erklärte das nicht das Ausmaß der Zerstörung, die in Brinkley Springs Einzug gehalten hatte. Übernatürliche Wesen von minderem Rang waren zu solchen Übergriffen nicht in der Lage – jedenfalls nicht, ohne entdeckt zu werden. Andererseits: Möglicherweise waren ihre Handlungen ja sogar bemerkt worden.

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