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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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jemals falsch für einen? Und sie begehrte ihn, vor allem jetzt, wo sie so viel getrunken hatte. Genau wie ihr Vater gesagt hatte. Aber warum sollte sie ihn auch nicht begehren? Manchmal ging es im Leben nur darum, diesen oder jenen Drang loszuwerden, wonach alles weitere einfacher wurde.
    Und Ehebruch – sie mochte es, wenn ihre Gedanken sich gut ineinander fügten –, Ehebruch war der Akt des Loswerdens , des Ausradierens , der sich sogar selbst ausradierte, sobald er einmal durchgeführt war. Manchmal allerdings, so stellte sie sich vor, radierte er bestimmt mehr aus als sich selbst, manchmal radierte er bestimmt alles ringsum aus. Er war ein Mittel für Übel, die man auf keine andere Weise kuriert bekam. Und ein Mittel, bei dem Vorsicht geboten war. Wie dem auch sei, heute Nacht war sie wieder dankbar dafür. Und sie wusste, wie sie all das dachte, dass sie einfach Recht hatte.
    Howard schlenderte aus dem Rezeptionsbüro, einen Schlüssel in der Hand, grinsend. Sie fragte sich, wie oft er das wohl schon getan hatte. Es schien ihm ganz natürlich vorzukommen, nicht, dass es sie im Geringsten kratzte. Sie hatte es noch nie getan, und doch fühlte es sich vollkommen vertraut an, als täte sie es schon ewig.
    »Fahr runter bis zum letzten Tipi«, sagte Howard, der sich gerade hereinbeugte, die Hände auf seine nackten Knie gestützt. »Und wenn du das Kasino aufmischen willst, der Große Häuptling Pokerface da drinnen hat mir ein paar Drink-Coupons geschenkt.«
    »Ich will bloß gefickt werden, sonst nichts.« Sie schaute in die andere Richtung. »Ich mag nicht am Einarmigen Banditen herumspielen.«
    Howard kniff seine Augen zusammen, und die Ecken seines großen, unintelligenten Mundes hoben sich fast unmerklich an. Er sah nicht gut aus, sein Haar war abgesäbelt, und seine Ohren und sein Mund waren viel zu groß. Einfach clownesk. Das brachte seine kleine Frau wahrscheinlich zur Ekstase: ein Ehemann, den sonst keiner so recht wollte, aber der Wunder bewirken konnte.
    Howard steckte seine große Hand in einer schöpfenden Aufwärtsbewegung durchs Fenster hinein und wieder unter eine ihrer Brüste. Er schien kein Ziel damit zu verbinden. Nur ein unsinniger Akt liebloser Vertraulichkeit. »Setz dieses Schätzchen nach da drüben zurück, und wir machen’s im Auto«, sagte er mit theatralisch heiserer Stimme. Seine kleinen Augen zuckten zum Rand des Parkplatzes. »Wird keinen stören.« Er schnüffelte ein kleines Lachen, das mit Humor nichts zu tun hatte.
    »Ich erwarte dich.«
    »Na, das klappt ja dann bestimmt«, sagte er und richtete sich schnüffelnd wieder auf.
    »Gut«, sagte sie. »Wurde auch langsam Zeit.« Sie drehte den Zündschlüssel im Schloss und setzte zurück.
    Sie wusste genau, was er mochte. Er mochte ihren Blick auf sich. Er mochte es, wenn sie seinen Schwanz in den Mund steckte und genau in diesem Moment ihren Blick zu ihm erhob. »Das werde ich jetzt mit dir machen«, hieß das. Wie eine billige Verlobung. Ansonsten mochte er noch ihre Stimme. Mit ihrer Stimme, egal was sie ihm gerade zuflüsterte, konnte sie ihn zum Ejakulieren bringen. Einfach so. Sogar mit ihrem Atmen konnte sie das. Deshalb musste sie aufpassen. Aber ihm ging es auch gar nicht so sehr ums Kommen. Er war klug. Er wollte mit ihr dranbleiben, sie bewegen, wenn sie im Bett herumbewegt werden musste, und es weiter und weiter und immer weiter treiben, bis der Orgasmus ein mögliches Ende war, wenn sie das Interesse verloren hatten. Komisch, im Bett so intelligent zu sein und in anderen Lebenslagen überhaupt nicht. Das war ihr Werk, dachte sie. Sie hatte ihn erfunden, jemand anderen aus ihm gemacht, den sie gebrauchen konnte. Seine wahre Intelligenz bestand einfach darin, keinen Widerstand zu leisten.
    Nur, in dem beengten Raum ohne Luft, mit dem dünnen Türvorhang aus Rayon, den herumkrabbelnden Kakerlaken und dem dicken Gestank nach Insektengift, wollte er sie jetzt viel zu schnell nehmen, zu heftig – plötzlich, lautstark –, als hätte er jetzt vor, sie von etwas zu befreien, ganz allein, von diesem Ding, das seine Klauen in sie geschlagen hatte. Als wäre das seine Pflicht. Hämmern, hämmern. So. Keine Zeit, ihn mit ihrer Stimme zu bearbeiten, ihn mitzureißen, ihn mühelos hinein- und wieder hinauszubefördern. Jetzt nur auf die harte Tour, bis es vorbei war. Und wieder – seltsam, dass dieser Mann etwas von ihr begriffen haben sollte; wusste, dass irgendetwas nicht stimmte, und sich daranmachte, es in Ordnung zu

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