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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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hatte kaum meinen Koffer in der Diele abgestellt.
    »Unterbringen?« Sallies Arme waren verschränkt. »Wo unterbringen? Wie?«
    »Ich hänge ein paar Zettel in der Gegend aus«, sagte ich und berührte sie an der Schulter. »Vielleicht vermisst ihn ja jemand aus der Nachbarschaft. Oder jemand hat ihn gefunden und hier gelassen, damit er nicht überfahren wird. Irgendwer wird schon kommen und nach ihm schauen.«
    Plötzlich bellte der Welpe. Irgendetwas (keine Ahnung, was) hatte ihn erschreckt. Er war aufgesprungen und bellte nun laut und drohend die Tür an, hinter der wir standen, als spürte er, dass wir etwas planten, und nähme es uns übel. Dann hörte er genauso abrupt wieder auf, und ohne seine dunklen kleinen Augen von uns zu lassen, hockte er sich welpenhaft hin und pinkelte auf die Backsteine.
    »Das ist seine andere Masche«, sagte Sallie. Der Welpe machte zu Ende und schnüffelte vorsichtig an seinem Urin. Dem folgte ein prüfendes Lecken. »Was er nicht anpinkelt, bellt und springt er an und kratzt. Als ich ihn heute Morgen gefunden habe, hat er mich angebellt, dann angesprungen, dann meinen Knöchel angepinkelt und mich am Bein gekratzt. Ich wollte ihn nur streicheln und nett zu ihm sein.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Wahrscheinlich hatte er Angst«, sagte ich, die stämmige kleine Gestalt des Welpen bewundernd, seine Ohren mit den scharfen Spitzen und die schlichte, unkomplizierte Pointer-Färbung. Solide weiß, solide schwarz. Ein Jungenshund.
    »Häng dein Herz nicht dran, Bobby«, sagte Sallie. »Wir müssen ihn in den Zwinger bringen.«
    Meine Frau stammt aus Wetumpka, Alabama. Ihre Familie besteht aus ehrgeizigen, melancholischen lutheranischen Schweden, die irgendwie im Süden gelandet waren, weil ihr Urgroßvater zufällig einen Flusenfilter für die Baumwollentkörnung erfunden hatte, wodurch letzten Endes Millionen eingespart werden konnten. Binnen einer Generation wurden die Holmbergs aus Lund von stigmatisierten Einwanderern zu betuchten, arrivierten Leuten mit hochnäsigen Republikaner-Attitüden und einem stark ausgeprägten Anspruchsdenken. In Wetumpka gab es einen Hundezwinger, und streunende Hunde waren immer gefürchtet, weil sie Räude und exotische Fieberkrankheiten übertrugen. Ich war dort; ich weiß es. Ein Hundefänger fuhr in einem Lkw mit Lüftungsschlitzen an den Seiten und einem großen Fangnetz Streife. Wenn ein Hund, der nirgendwo hingehörte, bei irgendwem an den Hortensien schnüffelte, genügte ein Anruf, und weg war er, für immer.
    »Es gibt keine Hundezwinger mehr«, sagte ich.
    »Ich meinte doch das Tierheim«, sagte Sallie vertraulich. »Den Tierschutzverein – wo sie nett zu ihnen sind.«
    »Ich würde es gern zuerst anders probieren. Ich mache einen Aushang.«
    »Aber fährst du nicht morgen wieder?«
    »Nur für zwei Tage«, sagte ich. »Ich komme ja zurück.«
    Sallie trommelte mit ihrer Schuhspitze, ein Zeichen dafür, dass sie irgendetwas irritierte. »Lass uns das aber nicht in die Länge ziehen.« Der Welpe trottete in den hinteren Teil des Gartens und verschwand hinter einem der großen Backsteinpflanztöpfe mit Pittosporum. »Je länger wir ihn behalten, desto schwerer wird es uns fallen, ihn wegzugeben. Das muss aber passieren. Wir müssen ihn irgendwann loswerden.«
    »Mal sehen.«
    »Wenn es so weit ist, musst du ihn zum Zwinger bringen«, sagte sie.
    Ich lächelte entschuldigend. »Geht in Ordnung. Wenn es so weit ist, mache ich das.«
    Dabei beließen wir es.
    Ich bin ein alter Hase bei den Bundesberufungsgerichten, wo ich meistens die Berufungskläger in umfangreichen, komplizierten Fällen von Fahrlässigkeit vertrete, etwa eine Hotel- oder Restaurantkette, die Filialen in mehreren Staaten hat und erfolgreich von einem Angestellten oder dem Opfer eines oft furchtbaren Unglücksfalls verklagt worden ist. Meistens gewinne ich meine Fälle. Sallie ist auch Anwältin, aber sie hat nie gerne praktiziert. Sie arbeitet heute als Ressourcenspezialistin, mit anderen Worten als Mittelbeschafferin für überwiegend progressive Projekte: Obdachlose, Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt in der Familie geworden waren, Ernährungsfragen usw. Das ist weit entfernt von den reichen, emporkömmlerisch-etablierten Ansichten ihrer Familie in Alabama. Ich stamme aus Vicksburg, Mississippi, und habe meinen ganz gewöhnlichen, allerdings stabilen Hintergrund in den Suburbs. Mein Vater war Versicherungsanwalt. Sallie und ich haben uns beim Jurastudium in Yale kennen

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