mal schnell auf unsere Homepage, wenn du noch einen Moment da bist«, sagte Nina, was im Klartext hieß, dass sie allein sein wollte und das Schaufenster warten musste.
Im Posteingang von www.gruenzeug.net waren zwanzig neue Anfragen. Was anfangs eher zaghaft begonnen hatte, war zu einem echten Zeiträuber geworden. Trotzdem freute sich Nina über die positive Resonanz und loggte sich hin und wieder auch von zu Hause aus in den Account des Blumenmeers ein. Es kam vor, dass sie ziemlich lange recherchieren musste, aber viele Antworten schüttelte sie dank ihrer Berufserfahrung locker aus dem Ärmel. Und die meisten Zuschriften waren sehr nett. Zu ihrer Freude fand sie auch eine E-Mail von einem ihrer Kunden, mit dem sie seit einiger Zeit zum Thema »Beete und Rabatten« korrespondierte.
Von:
[email protected]An:
[email protected]Betreff: Kontraste
Liebe Nina Korte,
bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie schon wieder mit einer Frage behellige, doch ich wollte noch einmal auf die von Ihnen erwähnten Kontraste zu sprechen kommen. Im Herbst wird es naturgemäß früher dunkel, und man ist buchstäblich nicht mehr ganz so strahlender Laune wie im Sommer. Obwohl ich persönlich es zu dieser Zeit lieber etwas heller in meinem Garten hätte, raten Sie mir in Ihrer letzten Mail zu Pflanzen in dunklen Farbtönen und zu Blumen mit so düsteren Namen wie Gewitter- und Donnerwolke. Natürlich vertraue ich Ihrer Fachkompetenz und Ihrem Geschmack, erlaube mir aber dennoch einen Hauch von Skepsis, bevor ich meine Bestellung tätige ☺
Mit herzlichen Grüßen,
Waldemar Achternbeck
PS: Die Frage mag Ihnen jetzt etwas seltsam vorkommen. Aber irgendwie wüsste ich gern, wie es um Ihre persönlichen Vorlieben bestellt ist, wenn ich schon mein gärtnerisches Schicksal in Ihre Hände lege. Sind Sie eher ein Sommer- oder Wintertyp? Und welches sind Ihre Lieblingsblumen? Haben Sie als Kind auch gern Cowboy & Indianer gespielt? Wenn ja, mochten Sie Winnetou lieber oder Old Shatterhand?
PPS: Nun ist das »PS« beinahe länger geworden als die Mail selbst …
Schmunzelnd saß Nina vor dem PC. Diese E-Mail war eindeutig ein Lichtblick an diesem trüben Herbsttag, an dem es in Strömen regnete. Seit einigen Wochen schon korrespondierte sie mit Waldemar Achternbeck, der sich den originellen Online-Namen »Asterdivaricatus« gegeben hatte. Es hatte eine Weile gedauert, bis Nina herausgefunden hatte, dass dies der lateinische Ausdruck für Schleieraster war. Bevor sie zurückschrieb, wollte sie erst die anderen Anfragen beantworten. Für Herrn Achternbeck würde sie sich Zeit nehmen. Und dazu genüsslich eine Latte macchiato trinken.
Draußen goss es wie aus Kübeln, doch das war Nina egal. Sie spürte etwas von ihrem alten Tatendrang in sich aufsteigen, und fast hatte sie den Grund für ihre Niedergeschlagenheit vergessen.
»Ich gehe mal eben rüber zu Franco. Soll ich dir einen Kaffee mitbringen?«, fragte sie Annette aus alter Gewohnheit und registrierte, dass sich deren Gesichtszüge deutlich entspannten, als sie mit »Ja, gern« antwortete.
Nina schnappte sich einen Schirm, überquerte die Straße und ging zu Da Franco, dem Stehitaliener, bei dem sie sich vormittags ihren Kaffee holte und manchmal auch zu Mittag aß. Welch eine Goldgrube, dachte sie wie jedes Mal, wenn sie das kleine Ladenlokal betrat, in dem die meiste Zeit Hochbetrieb herrschte.
»Buongiorno, cara Nina«, sagte Nino, Francos Mitarbeiter, der sich stets einen Spaß daraus machte, zu betonen, dass sie beide fast denselben Namen trugen.
»Buongiorno, Nino«, entgegnete Nina und deutete an, dass sie »das Übliche« haben wollte. Während Nino heiße Milch aufschäumte, ließ Nina ihren Blick über die Regale schweifen: Pasta, Saucen, Espresso, Kekssorten … Alles, was das Genießerherz begehrte.
»Heute nehme ich mal was anderes mit als nur Kaffee«, erklärte sie dem verdutzt dreinblickenden Italiener und legte zwei Gläser »Al Arrabiata«, eine Packung Tagliatelle und Cantuccini sowie abgepackten »Gran Padano« auf den Tresen.
»Du willste dog nikte wirklich kochen?«, erkundigte sich Nino und strahlte seine Kundin an. »Das wurde bedeute, dass wire könne endlig heirate, mia Cara!«
»Nein, Nino, ich fürchte, daraus wird nichts. Mein Herz gehört einem anderen«, antwortete Nina lächelnd. Das stimmte natürlich nicht, aber sie wollte den freundlichen Kellner nicht vor den Kopf stoßen.
Mit einem beschwingten »Ciao« verließ sie den