Eine von Zweien (German Edition)
ich sie
wieder öffnete, hatte ich eine Leinwand vor mir. Sie war aber nicht mehr leer.
Ich schaute an mir herunter. Ich hatte einen Pinsel in der Hand und war
farbverschmiert. Fragend schaute ich Beth an. Sie schaute von ihrer Arbeit auf
und unsere Blicke trafen sich. Sie nickte nur zustimmend.
„Willkommen zuhause!“ , war das Einzige, was sie sagte.
„Was ist gerade passiert und wie lange ist es her, seitdem
ich hier bin? Ich fühle mich, als ob ich gerade einen krassen Drogentrip hinter
mir habe“, gestand ich. Ich konnte mich nicht erinnern. Es war wie nach einer
richtig guten Party-Nacht, an dem man am nächsten Morgen aufwacht, nach seinem
Handy greift, in der Hoffnung, man hätte genug Fotos gemacht, um sich wieder zu
erinnern. Ich schaute auf meine Hände, die mit Farbe beschmiert waren, dann auf
die Leinwand vor mir. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Das war mein
Werk! Mir gefiel, was ich sah. Es breitete sich ein Gefühl von Stolz und Freude
aus. Ich konnte es also doch noch! Ich war wie benebelt und muss ein sehr
belustigendes Bild abgegeben haben. Beth fing plötzlich an zu lachen. So
richtig laut. Ich zuckte erschrocken zusammen.
„Hättest du gedacht, dass der heutige Tag der mit einer fein
gestriegelten, leicht verklemmten Lissi begonnen hat, mit einer total
verschmierten, verwuschelten aber glücklichen Lissi enden würde?“
Ich schaute mich im Spiegelbild des Fensters an. Sie hatte Recht.
Von Kontrolle war nicht mehr die Rede. Es fiel mir selber schwer, mich
wiederzuerkennen. Ich hatte wenig Ähnlichkeit mit meinem Aussehen von heute
morgen. Und sie hatte wohl auch bei einer weiteren Sache recht. Ja, da war
diese Gefühl, es breitete sich immer mehr aus. Es fing an mich zu schütteln.
Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und prustete los. Ich war glücklich,
ich fühlte mich so leicht. Auch Beth konnte sich nicht weiter zurückhalten und
wir fielen auf die Knie und lachten und gackerten wie die Hühner um die Wette.
Es tat so gut! Ich wollte, dass dieser Moment noch Stunden andauerte. Uns
liefen die Tränen über die Gesichter. Als wir uns langsam beruhigt hatten, war
es bereits elf Uhr nachts. Wo war die ganze Zeit nur hin? Ich wollte diese
letzten Stunden gerne wieder durchleben und festhalten.
„Hast du, seitdem wir aus deinem Büro wieder zurück sind,
schon etwas gegessen? Ich haben einen Riesenhunger. Ich könnte alles essen, was
mir in die Quere kommt. Was ist mit dir?“ Beth hielt sich immer noch den Bauch.
Ob vom Lachen oder vom Hunger konnte ich jetzt nicht mehr ausmachen.
Nein, auch ich hatte noch nichts gegessen. Ich hatte mit
Alice telefoniert, bin zu Beth gegangen, dann habe ich mich in den Farben
verloren und jetzt hatte ich einen Bärenhunger.
„Jetzt wo du es sagst, mein Magen schiebt sich auch gerade in
den Vordergrund. Ich bin dabei! Ich könnte eine ganze Kuh essen. Auf was hast
du denn Lust?“
„Wie wär´s mit einem Döner? Wir könnten uns schnell unsere
Jacken überwerfen und zum Dönerladen an der Ecke gehen. Was sagst du?“
„Verrückt, ich habe seit meinem Praktikum keinen Döner mehr
gegessen. Ich bin dabei! Ich muss mich nur schnell umziehen.“
So konnte ich doch nicht vor die Haustür! Da kam die Lissi
gleich ganz schnell wieder. Was war, wenn mich jemand aus dem Büro sehen würde?
Was würden die dann von mir denken!?
„Lissi, so ein Blödsinn, ich gebe dir eine Jacke und dann
rennen wir schnell hin! Wer soll dich auf dem Weg schon sehen? Und selbst wenn,
du bist gerade nicht bei der Arbeit und musst nichts und niemanden
repräsentieren. Ich wette, auch einen Max Schneider sieht man mal in
Jogginghose. Also komm! Der Döner geht auf mich.“ Beth hatte recht, mal wieder!
Damit musste ich mich wohl langsam aber sicher anfreunden. Ich strahlte sie an.
Gesagt, getan: so schnell kann es gehen und schon saßen wir wieder zuhause und
besabberten uns mit der Kräutersoße bei dem Kampf mit unserem Döner.
Plötzlich schien es möglich einzugestehen, dass ich gerade
glücklich war. Das war dieses Gefühl, das ich aus der Vergangenheit kannte. Ich
war glücklich und zu meinem Erstaunen war es auch ohne Lukas möglich. Es war
möglich, nur durch mich selbst. Einfach nur durchs Leben! Ich war begeistert.
Wir saßen auf dem Boden mitten im Kreativzimmer und genossen Fast Food. Es
schmeckte besser, als jedes einzelne der vielen Gerichte der
Sterne-Restaurants, die ich auf all meinen Geschäftsreisen zu mir nehmen durfte.
Mit
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