Eine von Zweien (German Edition)
überzeugt, er würde niemals lachen. Mach dich jetzt nicht klein!
“
„Gut, Beth, dann würde er nicht lachen, ich würde lachen.
Oder anders: du solltest lachen oder eher noch weinen. Oh, und dankbar sein! Du
solltest so dankbar sein, dass du deinen Weg gegangen bist und nicht meinen.
Schau mich doch an! Was habe ich schon vorzuweisen, das ist doch alles nicht
beneidenswert, was von all dem, was ich habe, hat eine Bedeutung auf der Basis
unserer früheren Weltbetrachtung? Ich bin eine graue Frau und habe nichts, was
andere lebendige Menschen von mir lernen wollen würde.“
„Liebe Lissi, vielleicht hast du recht, aber sicherlich nicht
in jedem Punkt. Wir sind zum Glück auch aus unserer früheren Weltbetrachtung
herausgewachsen. Ich könnte einiges von dir lernen. Hätte ich nur ein besseres
Zahlen und Vermarktungsverständnis. Könnte ich bessere Verhandlungen führen,
müsste ich nicht in einer Wohnung als bekannte Künstlerin wohnen, sondern hätte
einen Palast. Wüsste ich, wie ich
mit Geld umzugehen hätte und hätte mich nicht jedes Mal von einem neuen Agenten
übers Ohr hauen lassen. Hätte ich ein bisschen mehr von deiner Abgeklärtheit, vielleicht
würde ich nicht jeden Mann überfordern und so hohe Erwartungen haben, ihn dann
verlieren und wochenlang leiden. Lissi alleine ist zu kopflastig, Beth alleine
zu emotional! Wir beide zusammen, Lissi, uns würde niemand aufhalten können!
Das ist unsere Mission, wir müssen aus uns zweien die komplette Elisabeth
machen. Also es ist keine Zeit für Selbstmitleid, bist du dabei oder nicht?“
Beth präsentierte mir ihre Hand, in die ich einschlagen
sollte. Ich hätte mich gerne noch ein wenig bemitleidet. Aber dafür hatte ich
keine Zeit, ich musste mich jetzt entscheiden. Ein bisschen mehr Beth in meinem
eigenen Leben. Ein bisschen mehr glücklich sein, ein bisschen mehr malen und
lebendiger sein, ja, dazu war ich bereit. Beth hielt immer noch ihre Hand hoch
mit dem vielsagenden Blick: Fräulein, schlag endlich ein, ich kann nicht mehr
länger halten. Ich schlug ein und wir umarmten und drückten uns wie zwei
Schwestern, die sich nach langer Trennung endlich wieder gefunden hatten. Wir
waren also doch das „Doppelte Lottchen“. Nicht ganz wie Erich Kästner sich das
gedacht hatte, aber eben unsere Version davon. Ich hatte keine Ahnung, was
jetzt auf mich zukommen würde. Wie würden wir unser Ziel angehen? Würden wir
doch einen Plan machen? Würden wir einfach darauf los ändern? Würden wir uns
jeden Tag gegenseitig eine Aufgabe geben, die wir lösen mussten, um ein wenig
mehr aus der Welt des Gegenübers verstehen zu können? Ich hatte keine Idee und
dann doch so viele. Gerne hätte ich noch Stunden darüber diskutiert, aber als
sich die Euphorie langsam legte, merkte ich, wie enorme Gewichte meine
Augenlieder hinunterzogen und ich kaum noch die Kraft hatte, mich aufrecht zu
halten. Auch Beth, mir gegenüber, sah aus, als könne sie auf der Stelle
einschlafen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass Änderungen im Leben so
anstrengend sein würden. Ich meine damit wirkliche Änderungen des Lebens, so
wie sie bei mir allmählich passierten und nicht die Änderung einer Farbe an der
Wand. Das Beängstigende war, wir hatten noch gar nicht richtig angefangen zu
ändern, wir waren noch in der Aufwärm-Phase und es hatte sich jetzt schon so
viel geändert und doch eigentlich nichts. Ich war so müde, ich wollte nur noch
schlafen. Wir drückten uns nochmal innig und ich ging hinüber in meine Wohnung.
Ich hatte nicht mal mehr die Kraft, mich umzuziehen. Ich ging einfach so ins
Bett, mit meinen farbbeschmierten Döner-Klamotten. Ich legte mich einfach so hin.
Die alte Lissi, die normalerweise einen Tobsuchtsanfall bekommen hätte, hatte
ich vergessen. Zeiten ändern sich. Ich schlief erschöpft ein.
8
Auf dem Weg zur Arbeit waren Beth und ich Feuer und Flamme
für unseren Plan, uns gegenseitig vervollständigen zu wollen. Am Ende würde wir
uns jeweils die Stärken der Anderen angeeignet haben.
„Seien wir mal ehrlich, dich müssen wir dazu bringen wieder
zu leben! Du sagst, du seist zu einer grauen Frau geworden. Was fehlt dir,
damit du wirklich stolz auf dich sein kannst? Was ist der Grund dafür, weshalb
du es jetzt nicht bist?“
„Beth, ich habe keine Ahnung. Ich würde halt gerne wieder
glücklich sein. Eigentlich habe ich alles: einen Job, in dem ich erfolgreich
bin, eine Familie mit der ich ab und zu Kontakt habe, einen lieben
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