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Eine Welt für Menschen

Eine Welt für Menschen

Titel: Eine Welt für Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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die Namen der beiden Sprecher. Zwar fiel es ihm schwer, die zwei Fremdwesen voneinander zu unterscheiden; aber schließlich erschien es ihm doch, als müsse das eine wesentlich älter sein als das andere. Er schloß es aus seinen langsameren Bewegungen und dem matteren Glanz der Haut. Der ältere Moch-Ti nannte sich Gun-Lach, der jüngere hieß Ni-Tokh.
    »Was du sprichst, klingt vernünftig«, sagte Gun-Lach. »Du glaubst, daß die Neuen etwas mit den Kleinodien anfangen können?«
    »Gewiß, Gun-Lach«, antwortete der Jüngere eifrig. »Deswegen nennen wir sie die Neuen, weil sie vom Sturz weniger weit entfernt sind als wir. Sie werden die Kleinodien gebrauchen können und uns dafür geben, was wir dafür brauchen.«
    »Wie willst du dich mit ihnen verständigen, Ni-Tokh?«
    »Die Sprache des Handels kommt mit Gesten aus.«
    »Und wenn sie dich feindselig empfangen?«
    »Warum sollten sie? Wir kommen in friedlicher Absicht. Es sind zivilisierte Wesen …«
    »Auf einer bösartigen Welt, auf der fremde Dinge geschehen«, unterbrach ihn der Ältere. »Vergiß das nicht, Ni-Tokh.«
    Ashley verstand es nicht, die Physiognomie der Moch-Ti zu deuten. Aber er hätte schwören mögen, es sei in diesem Augenblick ein Schatten über Ni-Tokhs schmales, spitzes Gesicht gefallen.
    »Recht hast du, Gun-Lach«, antwortete er. »Aber welche andere Wahl bleibt uns?«
    Ashleys Perspektive begann, sich abermals zu verändern. So, wie er vorhin näher gekommen war, entfernte er sich jetzt. Das Gespräch verlor an Lautstärke, das Trümmerfeld inmitten des Dschungels rückte in den Hintergrund. Er wartete auf den Augenblick, da er wieder an den Ausgangspunkt seiner geheimnisvollen Reise versetzt wurde. Und während er wartete, gingen ihm konfuse Gedanken durch den Kopf.
    Er verstand also jetzt die Sprache der Moch-Ti. Er hatte keine Ahnung, wie Kepler ihm dieses Wissen vermittelt hatte; aber er wußte, daß er es – die Gelegenheit zur häufigen Anwendung vorausgesetzt – nicht wieder verlieren werde. Er konnte Sätze der Moch-Ti-Sprache in seinem Verstand bilden. Würde es auch mit der Aussprache klappen? Der Gefangene, den Yoshi Hashimoto betreute, mochte ihm darüber Auskunft geben.
    Das Gespräch, das er belauscht hatte, berührte ihn eigenartig. Fast schien es ihm, als hätte Kepler es ausgewählt, um ihn nicht nur eine Sprache zu lehren, sondern auch Zusammenhänge erkennen zu lassen. War es eine Szene aus der Vergangenheit, der er beigewohnt hatte? War er nachträglicher Augenzeuge geworden, wie die Moch-Ti darüber berieten, ob sie eine Expedition …
    Wie alle Übergänge vollzog sich auch dieser abrupt und ohne jegliche Vorwarnung. Der Buschdschungel verschwand. Eine neue, exotische Landschaft tauchte auf. Ashley erschrak. Er hatte gehofft, auf dem schnellsten Weg in die Stadt zurückkehren zu können. Er wollte seine neugewonnenen Kenntnisse erproben. Aber das hier war eine fremde Welt. Pastellfarbene Pflanzen wuchsen aus marmornem Boden. Die Luft war von geheimnisvollen Düften erfüllt, dabei angenehm kühl. Das Licht war ein mattes Gelbweiß; aber die Sonne, die über den türkisfarbenen Himmel trieb, zeigte sich als riesiger, glutroter Ball.
    Solche Welten gab es nicht, erkannte Ashley voller Entsetzen. Sie existierten nur in den Wahnvorstellungen Drogensüchtiger. Irgend etwas war schiefgegangen. Kepler hatte eine Fehlfunktion entwickelt! Wie sollte er jemals wieder in die Stadt zurückgelangen?
    Er sah einen Schatten und erschrak. Es war sein eigener! Er blickte an sich hinab, wie er es vor der Begegnung mit den beiden Moch-Ti getan hatte, und erstarrte. Er sah sich selbst. Diesmal war nicht nur sein Bewußtsein versetzt worden. Diese Welt mochte unwirklich sein, aber er selbst war real!
    Oh Kepler, was hast du mir angetan!
    Es war klar – zumindest ihm in seinem Stadium akuter Panik –, daß die Anwesenheit seines Körpers in der Pastellwelt nur eines bedeuten konnte: Er war endgültig von seiner eigenen Welt abgeschnitten. Er würde niemals wieder in der Lage sein, dorthin zurückzukehren.
    Er schrak auf, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Instinktiv duckte er sich zur Seite und verschwand hinter einem rosafarbenen Busch mit weit ausladenden Zweigen. Durch das Geäst hindurch erspähte er eine kleine, weiße Wolke, die sich vom Himmel senkte. Die Erinnerung an zwei frühere Erlebnisse des gleichen Typs verscheuchte im Handumdrehen alle Panik. Wie gebannt starrte er der Wolke entgegen, die sich

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