Eine Welt für Menschen
hatte nicht den leisesten Anhaltspunkt, welches Verhalten er von Tajsa erwarten solle. Und doch hing von dieser Begegnung sein ganzer Plan ab! Überzeuge Tajsa vom Unrecht ihrer Verhaltensweise, hatte er sich gesagt, und das Problem ist gelöst. War sein Ziel zu hoch gesteckt? Hatte er sich zuviel vorgenommen?
Er beobachtete zunächst überrascht, dann mit ungläubigem Staunen, wie sich Tajsas Gesicht veränderte. Die hübschen, exotischen Züge verzerrten sich zu einer teuflischen Grimasse, in der sich Furcht, Haß und Abscheu mischten. Die sanften Augen verwandelten sich in glühende Halbkugeln, die aus den Höhlen zu treten drohten und Funken des Zorns zu versprühen schienen. Die Herrliche stieß ein paar abgehackte Worte hervor, und es war Ashley, als müsse ihr dabei der Schaum vor den Mund treten, so völlig hatte sie die Beherrschung verloren.
»Er versteht dich nicht, Herrliche«, sagte Pellgon zaghaft auf englisch. »Er spricht nur seine eigene Sprache.«
Tajsa gewann einen Teil ihrer Fassung zurück. Sie stampfte mit dem Fuß auf und rief:
»Nun gut. Dann will ich meine Frage so wiederholen, daß er sie versteht: Was will das Vieh hier?«
Für Ashley brach eine Welt zusammen. Nicht nur hing von der Begegnung mit Tajsa der gesamte Erfolg seines Planes ab, er empfand überdies persönliche Zuneigung für die schöne Qahirin. Seit jenem merkwürdigen Zwischenfall an Bord der CONQUEST war sie ihm nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Die kleine Blüte, die sie in seiner Kabine hinterlassen und die Guido Scarlati vergebens zu analysieren versucht hatte, gehörte zu seinen kostbarsten Besitztümern.
Oh, Ashley Bannister – du magst ein kluger und umsichtiger Führer der Menschen sein, die eine längst vergangene Autorität deiner Verantwortung anvertraut hat, aber die Naivität deiner Phantasie ist nicht zu übertreffen! Hattest du wirklich geglaubt, daß die Herrscherin einer um 20 Millionen Jahre von der deinen entfernten Zivilisation deine kindliche Sympathie erwidern werde? Hattest du wirklich angenommen, du brauchtest nur daherzukommen, zu sehen und zu siegen? Ein Vieh hat sie dich genannt, Ashley Bannister! Wo bleiben da deine Hoffnungen, du könntest eine Brücke zwischen Menschen und Qahiren schlagen, indem du die schönste aller Qahirinnen für dich gewännest?
Ashley raffte zusammen, was von seinem Selbstbewußtsein die vernichtende verbale Attacke überlebt hatte, und antwortete:
»Indem du mich ein Vieh nennst, stellst du dir selbst ein Zeugnis geistiger Armut aus. Was, meinst du, hebt dich so hoch über das Niveau der Menschen hinaus? Die Zeit allein? Ist es dein Verdienst, daß die Zeit verfließt und die Technik Fortschritte macht?«
»Wovon redet er?« fragte Tajsa, an Pellgon gewandt. Das einzige Zugeständnis, das sie der Anwesenheit des Mannes von der CONQUEST zu machen bereit war, bestand darin, daß sie englisch sprach.
Als Pellgon sah, daß die Zusammenkunft sich zugunsten der Herrlichen zu wenden begann, gewann auch er seine Selbstsicherheit zurück.
»Ich verstehe es ebensowenig wie du«, antwortete er frech. »Offenbar leidet er an der Illusion, daß seine Art mit der unseren gleichberechtigt sei.«
»Das muß man ihm austreiben«, erklärte Tajsa höhnisch. »Ein solcher Wahn könnte ansteckend sein.«
»Welcher Wahn war es«, fragte Ashley, »der dich veranlaßte, mich zu dir zu holen, als ich mit meinem Raumschiff noch weit außerhalb des Sonnensystems war?«
Tajsas Blick war steinern.
»Du bist gefährlich, Fremder«, sagte sie. »Dich muß man ausschalten.«
Als die Umgebung plötzlich erlosch, hatte Ashley die Hoffnung, Kepler sei im letzten Augenblick aktiv geworden und dabei, ihn aus einer Lage zu retten, deren Gefährlichkeit er plötzlich nicht mehr zu übersehen vermochte.
Dann kam der Schock.
Er materialisierte in einem kleinen, feuchten, fensterlosen Raum, der von einer grellen Deckenlampe bis in die letzte Ritze ausgeleuchtet wurde. Es war kalt. Es gab keinerlei Mobiliar – nicht einmal eine Liege. Der Boden neigte sich von den Wänden her zum Zentrum des Raumes zu; dort befand sich ein Abfluß. Ein rechteckiger Umriß an einer der Wände bezeichnete das Vorhandensein einer Tür. Ashley machte sich an ihr zu schaffen, gab jedoch nach wenigen Augenblicken wieder auf. Wände wie Tür bestanden aus solidem, natürlich gewachsenem, nur oberflächlich geglättetem Fels. Die Tür bot ihm keinerlei Handhabe. Ebensogut hätte er versuchen können, einen Ausweg durch
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