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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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zu, während mein Stockcar lautlos auf der Rennstrecke in Talladega seine Schleifen zog. Von den Schleifen wurde mir schwindelig, aber ich hielt durch.
    »Und dann ist Alaska praktisch ausgeflippt.« Er imitierte Alaskas Stimme, doch es klang schriller, kopfschmerzhafter, als sie in Wirklichkeit war. »›Keine Frau darf über eine andere Frau Lügen erzählen! Wenn die eine der anderen das Messer in den Rücken rammt, wie sollen wir uns dann je aus der patriarchalischen Knechtschaft erheben?!‹ Und so weiter. Und Jake stellte sich auf Alaskas Seite und sagte, sie würde ihn nie betrügen, weil sie ihn liebt, und dann hab ich gesagt: ›Kümmert euch nicht um Sara. Sie geht den Leuten gern auf den Sack.‹ Und dann hat Sara gefragt, warum ich mich nie auf ihre Seite stelle, und irgendwann hab ich zu ihr gesagt, dass sie eine durchgeknallte Zicke ist, was nicht so gut ankam. Und dann hat uns die Kellnerin rausgeworfen, und als wir alle auf dem Parkplatz standen, hat Sara gesagt: ›Ich hab die Schnauze voll‹, und ich hab sie einfach nur angestarrt, und dann hat sie gesagt: ›Es ist aus.‹«
    Er hörte auf zu reden. »Es ist aus?«, wiederholte ich. Mir war immer noch schwindelig, und ich hielt es für das Beste, seine letzten Worte zu wiederholen, damit er weitererzählen konnte.
    »Ja. Das war’s. Und weißt du, was das Blöde ist, Pummel? Ich mag sie wirklich. Ich meine, wir waren ein hoffnungsloser Fall. Passen einfach nicht zusammen. Aber trotzdem. Ich meine, ich hab zu ihr gesagt, dass ich sie liebe. Ich hab mit ihr meine Jungfräulichkeit verloren.«
    »Du hast mit ihr deine Jungfräulichkeit verloren?«
    »Ja. Ja. Hab ich dir das nie erzählt? Sie ist die Einzige, mit der ich je geschlafen habe. Ich weiß auch nicht. Obwohl wir uns gestritten haben, also, so etwa vierundneunzig Prozent der Zeit, bin ich echt traurig.«
    »Du bist echt traurig?«
    »Trauriger, als ich erwartet hab, jedenfalls. Ich meine, ich wusste, dass es unausweichlich ist. Wir hatten in diesem Jahr keinen einzigen schönen gemeinsamen Moment. Ich meine, seit den Sommerferien haben wir uns die ganze Zeit gezofft. Ich hätte netter zu ihr sein sollen. Ich weiß nicht. Es ist traurig.«
    »Es ist traurig«, wiederholte ich.
    »Ich meine, es ist bescheuert jemanden zu vermissen, mit dem man sich nicht mal versteht. Aber ich weiß auch nicht. Es war schön, jemanden zu haben, mit dem man sich streiten konnte.«
    »Streiten konnte«, sagte ich, und dann, mir war so schwindelig, dass ich kaum noch fahren konnte, sagte ich noch: »Schön.«
    »Genau. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich meine, es war schön, sie zu haben. Ich bin verrückt, Pummel. Was soll ich bloß tun?«
    »Du kannst mit mir streiten«, sagte ich. Ich legte den Joystick hin, lehnte mich zurück in das Schaumstoffsofa und war eingeschlafen.
    Während ich wegdöste, hörte ich gerade noch, wie der Colonel sagte: »Auf dich kann ich aber nicht sauer sein, du harmloser, kleiner Scheißer.«
Vierundachtzig Tage vorher
    Drei Tage später kam der Regen. Mein Kopf tat immer noch weh, und der Colonel meinte, die eindrucksvolle Beule über meiner linken Schläfe sähe aus wie die Miniaturtopografie von Mazedonien, einem Land, von dem ich noch nie gehört hatte. Und als der Colonel und ich an diesem Montag durch das gelbe, verdorrte Gras stapften, sagte ich: »Ich schätze, wir könnten ein bisschen Regen gebrauchen«, und der Colonel sah zum Himmel, wo schnell und bedrohlich niedrige Wolken dahinjagten, und stellte fest: »Ob wir ihn brauchen oder nicht, wir werden verdammten Regen kriegen.«
    Und den kriegten wir. Nach zwanzig Minuten Französisch konjugierte Madame O’Malley gerade das Verb glauben im Konjunktiv. Que je croie. Que tu croies. Qu’il ou qu’elle croie. Sie sagte es wieder und wieder, als wäre es kein Verb, sondern ein buddhistisches Mantra. Que je croie, que tu croie, qu’il ou qu’elle croie. Was für ein seltsamer Satz: Ich würde glauben, du würdest glauben, er oder sie würde glauben. Was glauben? dachte ich, und genau in diesem Moment kam der Regen.
    Der Regen kam plötzlich, und er kam wie eine reißende Flut, wie der Zorn eines Gottes, der uns alle ertränken wollte. Tag und Nacht, Nacht und Tag regnete es. Es schüttete so heftig, dass man nicht über die Schlafsaalwiese sehen konnte, so heftig, dass der See über die Ufer trat, an der Hollywoodschaukel leckte und den halben künstlichen Strand abtrug. Am dritten Tag ließ ich den Schirm stehen

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