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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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werden.«
    »Sie sind tatsächlich untalentiert, Sie Graphophobiker! Sie werden niemals auch nur ein einziges vernünftiges Wort zu Papier bringen können! Sie werden es bereuen!«
    »Ich bereue gern.«
    »Vielleicht geben Sie mir das Geld trotzdem?«
    »Tu ich nicht.«
    »Heute in acht Tagen gebe ich es Ihnen zurück, Sie haben es so gut wie in der Tasche.«
    »Sie vergeuden Ihr Talent umsonst.«
    »Ich erniedrige mich und rede mit ihm, und er weiß es mir nicht zu danken!«
    »Nein, ich weiß es nicht zu danken.« Rost ging an seinen Platz zurück und aß sein Kompott auf.
    Dann gab er Max Karp an der Theke einen Wink. Als der näherkam, fragte er ihn: »Trinken Sie ein Glas mit uns? Alfred! Eine Flasche Slibowitz!«
    Rost schenkte ein. »Auf das Literaturmagazin für junge Graphophobiker – stoßen Sie mit mir an, Herr Karp!«
    Der lächelte schief und stieß mit ihm an.
    »Wie viel braucht man, um eine solche Zeitschrift herauszugeben?«
    »Hm … Zweihundert Kronen für den Anfang. Nicht viel für so ein wichtiges Unternehmen, gar nicht viel!«
    »Und Sie möchten, dass ich mich mit der Summe von zwanzig Kronen beteilige, nicht wahr?«
    »Wenn mehr drin ist, wäre es natürlich noch besser.«
    »Mehr wäre besser, natürlich, ha? Hört ihr? Und der Musik wird keine Rubrik darin eingeräumt werden?«
    »Der Musik?«
    »Gewiss, der Herr Tenor hier beispielsweise könnte etwas von seinem Gesang beitragen.«
    Max Karp schürzte die Lippen zu einem gefälligen Lächeln. »Hihi.«
    »Halt’s Maul, du junger Hund!«, schrillte der Tenor.
    »Werd nicht zornig, Tenor, du alter Hund! Und für Sie, Herr Karp, eine Krone!«
    »Eine Krone?«
    »Für eure Zeitschrift gebe ich nichts. Keinen Heller. Erst wenn ihr dort eine Rubrik für den Gesang des Tenors einrichtet, sonst nicht. Aber die eine Krone ist für Sie, für private Zwecke, weil Sie sehr talentiert und nicht graphophob sind. Eine Krone!«
    »Vielleicht, hm … zwei Kronen? Einen Gulden wenigstens? Bis heute in acht Tagen …«
    »Nein, nur eine einzige Krone!«
    »Gut, Sie haben mich in einer Notlage erwischt.«
    »Hört ihr, ich habe ihn in einer Notlage erwischt! Da haben Sie eine runde Krone, kein Falschgeld!«
    »Du lebst ja noch, Rostl! Was zettelst du denn hier wieder Streit an?«, brummte Jascha aus Odessa, der gerade hereinkam. »Eine gute Lektion hast du ihm erteilt, dem Jan! Du Held!« Er zog einen Stuhl an den Tisch und setzte sich. Rost bestellte noch eine Flasche und ein Glas für Jascha.
    »Er bekäme es mit mir zu tun, wenn er es wagen sollte, dich anzurühren, habe ich ihm ausrichten lassen. Ich werde ihn zu Brei schlagen.«
    »Er wollte die dreißig Kronen wiederhaben, die er verloren hatte. Da war er aber an den Falschen geraten!«
    Max Karp erhob sich und wollte weg.
    »Setzen Sie sich her!«, bestimmte Rost. »Trinken Sie mit! Oder ist Ihnen unsere Gesellschaft nicht vornehm genug?«
    »Nicht doch, keineswegs, sehr angenehm, nur –«
    »Setzen Sie sich auf Ihren Platz! Darf ich bekannt machen? Ein großes Talent, das eine Zeitschrift herausgeben möchte – und mein Freund Jascha.«
    »Aber wir kennen uns längst.«
    »Noch besser!«
    Aus der nahen Kneipe drangen trunkene Stimmen und rasende Mundharmonikaklänge herüber. Ein Hund kläffte tief und abgehackt, als huste er, und verzweifeltes Babygeschrei fiel mit ein. Und doch tat dir all das wohl, weil du dich mitten im Frühling und mitten in der Jugendzeit befandst, und selbst wenn das bisschen Boshaftigkeit, das in dir steckte, sich zuweilen äußerte, hatte es doch noch etwas Lausbübisches an sich.
    Max Karp setzte sich notgedrungen, mit säuerlicher Miene, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Seine hervorquellenden, runden Augen spähten ängstlich durch die Brillengläser, und die fleischige Unterlippe war nach unten gestülpt wie bei einem müden Pferd. Durch den leicht geöffneten Mund lugten unregelmäßige, große, gelbe Zähne. Sein Gesicht wirkte wie vom Knochen gelöst, das Fleisch schlaff, wabbelig, kraftlos. Rost verspürte plötzlich körperliche Abneigung gegen diesen Mann.
    »Aber wenn Sie keine Zeit haben, wollen wir Sie schließlich nicht aufhalten.«
    »Nein, ganz im Gegenteil, ich kann Ihnen noch ein Weilchen Gesellschaft leisten. Sehr angenehm.«
    »Und der große, schreckliche Anschlag, wann geht der los?«, wendete sich Rost an Mischa den Anarchisten, der zurückgelehnt saß, die langen Beine von sich gestreckt.
    »Du wirst es hinterher in der Zeitung

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