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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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und seien es auch die plattesten und geschmacklosesten Phrasen aus Groschenromanen, die einen Kilometer gegen den Wind nach Lug und Trug stinken – völlig egal! Das sind die Romantikerinnen. Je mehr man lügt, desto weicher werden sie. Ich verspreche Ihnen Erfolg bei denen. Übrigens mögen das die meisten Frauen, ohne Unterschied, alle haben sie eine romantische Ader, und alle lieben sie die brillante Lüge. Vielleicht sind sie von Natur aus poetisch veranlagt. Noch andere besitzen einen unersättlichen Herrscherdrang, das sind die Dominanten. Ein Mann, der sich ihrer Autorität nicht unterordnet, kommt nicht zum Zuge. Will man bei denen zum Ziel kommen, muss man sich klein machen, und sei es auch nur nach außen hin. Akzeptiere stets unangefochten ihr Ja oder Nein, als unabänderlichen Schicksalsschluss, und du wirst deinen Lohn erhalten. Es gibt natürlich auch Mischtypen, fünf Gramm hiervon, acht Gramm davon und drei Gramm einer dritten Sorte und so weiter. Das sind die Komplizierten, meist sind sie von Hysterie befallen. Mit denen ist es schwerer, sie sind wankelmütig, mal so, mal so. Bei ihnen muss man gelegentlich die Taktik ändern, immer auf der Hut sein, mit einem hohen Grad an Diplomatie begabt, und auch dann ist der Erfolg ungewiss. Ein kleiner Luftzug kann alles umstürzen. Von diesem Typ lässt man am besten die Finger, denn kein Weiser und kein Psychologe kommt ihnen bei, jeden Augenblick kann man eine neue Überraschung erleben.«
    »Ein komplettes Regelwerk!«, witzelte Rost. »Sie sind ja ein vollendeter Don Juan!«
    »Man soll nicht übertreiben«, tat Georg Stift bescheiden, unter sanftem Lächeln, »ein wenig Beobachtung im Leben, etwas persönliche Erfahrung, mehr nicht.«
    »Und was würden Sie zum Beispiel tun, falls … falls Sie plötzlich erführen, dass Ihre Frau Sie betrügt?«
    »Wer? Gertrud? Ausgeschlossen!«
    »Natürlich, aber im Leben ist ja alles möglich! Man kann niemals sicher sein.«
    »Hier ist es unmöglich, bei Gertrud wie bei mir! Sie kennen sie nicht und auch nicht unsere Beziehung. Ein Erdbeben wäre wahrscheinlicher.«
    »Ich rede nicht unbedingt von Frau Gertrud«, ruderte Rost zurück, »nehmen wir an, eine andere Frau, die Sie betrogen hat.«
    »Erstens habe ich mit dieser Sorte Frauen grundsätzlich nichts zu schaffen. Und zweitens, müssen Sie wissen, bin ich nicht der Mann, den man betrügen würde. Eine Frau, die einmal mit mir zusammen war, wird mich nicht mehr betrügen. Es gibt Männer, die von Frauen betrogen werden, und es gibt Männer, denen keine Frau, und sei sie noch so liederlich, je untreu werden würde. Das sollten Sie sich merken, Bürschchen, und würde mir so ein Fall doch unterkommen – dann sofort zur Türe hinaus!« Er machte eine entsprechende Kopfbewegung. »Ohne Aufenthalt! Solche Späße lasse ich mir nicht bieten!«
    Die Tür zum Esszimmer öffnete sich einen Spalt, und Gertrud steckte den Kopf herein, um zu Tisch zu bitten. Als sie Rost entdeckte, tat sie überrascht und begrüßte ihn höflich distanziert. Trat dann auch in den Salon und blieb an der Tür stehen. Sie lud Rost, unter Beipflichtung ihres Mannes, zum Essen ein, wenn es sich auch nur um ein leichtes Abendbrothandle, da Mizi heute Ausgang habe. Durch die offen gebliebene Tür sah er Erna mit dem Rücken an der Anrichte lehnen, mit Blick zu den Fenstern, und trotz seines heftigen Verlangens, ihr nahe zu sein, sagte ihm sein Verstand, dass er jetzt besser darauf verzichtete. In dem unbestimmten Gefühl, etwas kaputtzumachen, wenn er die Einladung annahm, stand er entschlossen auf und verabschiedete sich.
    In seinem Zimmer fand er auf dem Boden nahe der Tür einen verschlossenen Umschlag ohne Anschrift. Ehe er ihn aufriss, untersuchte er ihn von allen Seiten, wog ihn kurz auf der flachen Hand, roch daran, zögerte, ihn zu öffnen. In einem verborgenen Winkel seiner Seele ahnte er, von wem der Brief stammte, hütete sich jedoch, dieses Wissen ins klare Bewusstsein zu holen, aus Angst, widerlegt und enttäuscht zu werden. Schließlich riss er den Umschlag auf und zog ein ausgerissenes Blatt aus einem Oberschulheft hervor. Erna wünschte, ihn morgen Nachmittag zu treffen, sie müsse etwas mit ihm besprechen. Als Treffpunkt nannte sie eine bestimmte Bank im Volksgarten, und falls es regnen sollte – die Kaffeehausterrasse. Den Brief solle er gleich nach der Lektüre vernichten.
    Ihre Handschrift war groß, rund, zeugte von Schwung und Entschlossenheit. Unterschrieben hatte sie

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