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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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Hose und auf dem Kopf eine schwarze Melone anstelle des graugescheckten Huts für alle Tage. Seine Aufmachung wurde komplettiert durch einen dicken Spazierstock aus Bambusrohr, ein Überbleibsel aus besseren Zeiten. Alles in allem wirkte er wie eine Karikatur Amerikas.
    Arnold Kroin lächelte, ohne etwas zu erwidern. Kurz darauf wendete er sich an Rost: »Gibst du ein Bier aus?«
    Ja, das tue er.
    Reb Chaim Stock stand einen Augenblick am Eingang und musterte wohlwollend die Gruppe. Der in den Nacken geschobene Hut entblößte eine hohe, gefurchte Denkerstirn, und die Zeitung in seiner Hand zeigte zu Boden. Jaschalud ihn ein, eine Runde mitzutrinken, aber der Wirt lehnte ab.
    »Die Alten sind kein Spaß«, sagte er ohne eine Spur Selbstgefälligkeit. Vor ein paar Jahren, oho! Da habe er alles vertragen! Keiner von ihnen hätte es im Trinken mit ihm aufnehmen können! Aber jetzt wäre seine Gesellschaft kein Vergnügen. Seine Stimme kam aus verdorrter Kehle, monoton, erstickt, als sitze ihm ein Kloß im Hals. Dann hustete er ein paarmal kurz und abgehackt.
    »Aber die Dienstmädchen«, lachte Jascha, als der Alte gegangen war, »bei denen spielt er den Jüngling, dieser alte Schmutzfink.«
    »Die schwarzhaarige Walli hat mir gesagt«, erzählte Arnold Kroin, »er hat ihr fünf Gulden angeboten. Da hat sie in seinen Bart gelacht. Ihm eine Adresse zugesteckt …«
    »Und du, Tenor, was hast du mit Walli zu tun?«
    Der Tenor nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Bierglas und paffte dann stumm wieder seine Zigarre. In seinem Hirn reifte ein Entschluss heran. Er warf Rost einen Blick zu, als wolle er ihm auf den Zahn fühlen.
    Markus Schwarz begann, mit eintöniger, farb- und glanzloser Stimme eine langweilige Geschichte von einem Rechtsanwalt in Berlin zu erzählen, der mit Hilfe seiner Frau minderjährige Mädchen zu verführen pflegte. Beides junge, schöne Menschen, die den höheren Ständen angehörten, und dann kam dieser Skandal heraus. Das hatte in den Zeitungen gestanden. Markus Schwarz besaß die besondere Begabung, jeder pikanten Begebenheit den Stachel zu nehmen. Alles was er sagte, wurde banal, farblos, geistlos.
    Rost rief den Kellner und zahlte. Die Bitten der Gruppe, doch noch zu bleiben, halfen nichts. Langweilig war es heute Abend in den Sälen des Achdut. Also standen alle auf und gingen. Der Tenor nutzte die Gelegenheit, Rost flüsternd um eine Anleihe von zwei Gulden anzugehen. Als erdas Gewünschte erreicht hatte, verabschiedete er sich und strebte mit seinem schweren, unelastischen Körper davon, sogar sein Gang wirkte heiser. Jascha begleitete Rost bis an die Straßenecke, wo er zum Abschied stehenblieb.
    »Und Fritzi?«, fragte Rost.
    »Ist mir über geworden.« Und kurz darauf: »Willst du sie? Du gefällst ihr, ich überlass sie dir gern.«
    »Nein.«
    »Ein Mädchen wie aus dem Bilderbuch! Du wirst Freude an ihr finden.«
    »Du sorgst ja für sie wie ein Jude für seine erwachsene Tochter«, lachte Rost und reichte ihm die Hand.

14
    Ein blau-goldener Nachmittag, untermalt von den Klängen der Parkorchester und dem bunten Treiben auf den Straßen, ging in einen unwirklich hellen, klaren Abend über. Sattes, saftiges Grün sprenkelte die Parks und die Straßenränder. Die Kastanien standen in voller Blüte. In einem neuen hellen Anzug, erst heute gekauft, und einer blassen Nelke im Knopfloch fühlte sich Rost äußerst wohl. Reine Heiterkeit herrschte ringsum. Die Welt war groß und weit, einladend. Seine Muskeln spannten sich von selbst. Stände er im Begriff, Karten zu spielen, würde er eindeutig gewinnen, würde er mit einem Feind ringen, wäre der Sieg ihm gewiss.
    Die beiden trafen genau gleichzeitig am vereinbarten Ort ein, er von dieser und sie von der Gegenseite. Sie lächelten und wussten im ersten Moment nicht, was sie einander sagen sollten, und es war auch untunlich, das reine Gefühl in ihrem Innern durch Reden zu beflecken. Ein Weilchen gingen sie Schulter an Schulter, umrundeten das Blumenrondell, und der Kies der Allee knirschte unter ihren Sohlen.Rost warf von Zeit zu Zeit flüchtige Blicke auf seine Begleiterin, auf deren bleicher Wange leichte Röte erblühte. Die Buschgruppen seitens des Weges warfen weiche Schatten nach Osten, und die Zaunstäbe zeichneten sich lang und schräg auf dem Boden ab. Orchesterklänge wehten von der anderen Parkseite herüber, gestört durch das Treiben der belebten Straße.
    »Sehen Sie, ich habe Ihretwegen sogar ein Treffen verlegt«, log

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