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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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und zum Muhen der Kühe und zu den Rufen des Bauers erwachen – hab ich alles in einem Buch gelesen«, endete sie mit leuchtenden Augen.
    Rost sog schweigend an seiner Zigarette. Ganz und gar angespannt neben Erna sitzend, meinte er, jede ihrer Seelenregungen zu spüren. Auf ihrer, der rechten Seite überströmte ihn eine ungekannte Wärme, eine Julihitze, die nichts mit der Hitze des Tages zu tun hatte. Jener Abend im Dorf, den Erna ihm ausmalte, da würde man jetzt gern herumtollen wie ein Wildtier, dieser Erna auf und ab nachjagen, bis einem Hören und Sehen vergingen, den Duft ihres zarten Körpers einsaugen wie den Geruch warmer Erde und taufrischen Grases. Stattdessen verfolgte er sie im Stillsitzen, ohne sich zu regen. Er lachte kurz und abgehackt. Erna sah ihn verwundert an.
    »Ein dreistes Lachen haben Sie.«
    »Das war ungewollt, mir ist nur gerade was eingefallen.«
    In diesem Augenblick bogen Karl Greiner und Fritz Anker aus der anderen Allee ein. Erna erkannte sie von weitem und sprang ihnen überfreudig entgegen. Sie stellte sie Rost vor und lud sie ein, sich doch ein wenig zu ihnen zu setzen, um Rost zu ärgern, dessen kurzes Naserümpfen ihr aufgefallen war. Ihr machte es schmerzendes, masochistisches Vergnügen. Sie lachte zu laut mit einem provozierenden Unterton, der Rost nicht entging, und redete exaltiert, unnatürlich.
    Fritz Anker brachte nur wenige gezwungene Worte heraus und rückte vor Verlegenheit alle Augenblick seine Brilleauf der Nase zurecht. Diese unerwartete Begegnung hatte ihn aus dem Lot gebracht. Die Brille wurde plötzlich unbequem wie zu enge Schuhe. Karl Greiner hingegen war die Selbstsicherheit in Person – einfach unübertrefflich. Seine lockeren, gänzlich ungezwungenen Reden und Gebärden und sein unumwunden hochmütiges Auftreten reizten Rost auf der Stelle, ihm eins auszuwischen. Mit raschem Griff zog er ihm das Zeichenheft unterm Arm hervor wie aus einem Bücherschrank und fragte erst, als er es schon aufgeschlagen hatte, ob es erlaubt sei.
    Greiner schluckte seine Blamage hastig hinunter. Ein Funken Zorn blitzte in seinen Augen auf und verlosch sofort wieder. »Sicher, ist für alle Welt bestimmt.«
    Rost blätterte kurz darin. »Hm … für alle Welt … Das heißt, die Welt hat es bei Ihnen bestellt …« Er gab ihm das Heft zurück. »Sie wollen also ein Maler werden.«
    »Bin’s schon.«
    »Sehr schön. Ein kleiner Rembrandt, nehme ich an.«
    »Mindestens, nicht wahr?«
    »Setzen Sie sich bitte«, Rost wies ihm einen Platz auf der Bank an, als sei es seine Privatwohnung, »hierhin.«
    »Und Sie sind selbstverständlich kein Maler«, stichelte Greiner, ohne sich zu setzen, »und verstehen auch nichts von Malerei.«
    »Ich bin selbstverständlich kein Maler, aber ein gutes Bild erkenne ich als solches.«
    »Wir haben uns an dem Abend bei Friedel doch gut amüsiert«, wandte Greiner sich an Erna, um Rost auszuschließen, »das war lustig, was?«
    »Man müsste mal einen gemeinsamen Sonntagsausflug machen, einen langen Spaziergang«, rief Erna mit gekünstelter Begeisterung, »Sie könnten sogar Malutensilien mitbringen, um ein schönes Landschaftsbild zu malen …«
    »Das wohl eher nicht«, fiel Rost mit spöttischem Untertonein, »die Malerei erfordert doch sicher große Konzentration, das Alleinsein mit sich selbst.«
    »Da haben Sie recht«, sagte Greiner, der den versteckten Spott nicht herausgehört hatte, »ich arbeite nicht vor Publikum. Nur wenn ich mit der Leinwand allein bin, sehe ich das Bild vor mir, das darauf entstehen soll.«
    »So ist es!«
    »Aber einen Spaziergang kann man ja auf jeden Fall machen.«
    Rost zog sein Zigarettenetui hervor und bot den Männern eine an.
    »Und Sie gehen ebenfalls einem künstlerischen Beruf nach?«, wandte er sich an Fritz Anker.
    »Ich … das heißt … nein.«
    Fritz Anker gefiel ihm. Er erriet in etwa, was diese so unterschiedlichen jungen Männer insgeheim miteinander verband. »Aber Sie schätzen sie, die Kunst, nehme ich an.«
    »Das kann man sagen.«
    »Und Sie studieren Philosophie oder Geschichte.«
    »Nein, vorwiegend Philosophie. Woher wissen Sie das?«
    »Das erkenne ich.«
    »Sie sind zufällig darauf gekommen.«
    »Mir scheint, Ihnen fehlt es etwas an Selbstvertrauen, ein Mangel, den es zu überwinden gilt. Die Leute vertrauen von Natur aus einem Menschen, der zuerst auf sich selbst vertraut.«
    »Eigentlich haben Sie recht, aber die Wahrheit … Wer die Wahrheit anstrebt …«
    »Völlig unnötig. Nicht

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