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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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gebären sollen, dann frage ich doch, wie soll das gehen? Und wann? Von einer Schwangerschaft zur nächsten? Die Zeit wird nicht reichen.«
    Sie setzte sich auf eine freie Bank. »Mit einem Mann wie Ihnen kann man diese Fragen nicht erörtern.«
    »Warum nicht mit einem Mann wie mir?«
    »Weil Ihnen der Leichtsinn aus hundert Meter Entfernung anzumerken ist. Ein Bursche wie Sie kann wahrscheinlich nichts anderes, als jedem Schürzenzipfel nachzujagen.«
    »Richtig geraten, nur kann ich persönlich daran nichtsLeichtsinniges finden.« Er steckte sich eine Zigarette an und fuhr fort: »Ich will Ihnen eines sagen, aber bitte regen Sie sich nicht auf. Ihren Ansichten und Bestrebungen zufolge sind wir beide doch fast gleichartig, gleichwertig, und ich kann offen mit Ihnen reden. Sie müssen einfach mal mit einem Mann schlafen, der menschlichen Natur zufolge, verstehen Sie? Das wird Sie von all diesen falschen Gedanken abbringen.«
    Ihre Wangen liefen hochrot an, was bei ihrer sonnengebräunten Haut kaum auffiel, Rosts Augen aber doch nicht entging. Sie sagte nur: »Sie sind sehr derb.«
    Rost freute sich im Stillen, dass er sie in Verlegenheit gebracht hatte. »Verzeihen Sie bitte, da Sie volle Gleichstellung mit den Männern anstreben, erlaube ich mir eben auch, unverblümt und ungeheuchelt mit Ihnen zu sprechen, wie unter Männern.«
    »Wer hat Sie denn um Ihren Rat gebeten? Ich weiß selbst, was ich zu tun habe! Sie werden jedenfalls nicht dieser Mann sein.«
    Diese abseitige Möglichkeit, die seine Gesprächspartnerin da andeutete, verursachte ihm körperliches Unbehagen. Hastig sagte er: »Um Himmels willen! Ich habe nicht von mir selbst gesprochen. Ich maße mir gar nicht an, dessen würdig zu sein«, und um das Thema zu beenden, wandte er sich einem blondgelockten kleinen Mädchen zu, das in der Nähe mit einer großen Puppe spielte, liebevoll auf sie einredete, wie man ein weinendes Kind tröstet, und fragte sie nach ihrem Namen.
    Sie heiße Lena und die Puppe heiße Karla, antwortete die Kleine ohne jede Scheu und kümmerte sich wieder um ihre Puppe.
    Rost strich ihr mit der Hand über die seidigen Locken, die eine blaue Schleife schmückte, und fragte Ljoba: »Mögen Sie Kinder?« Aber Ljoba war längst aufgebracht gegendiesen dreisten Burschen an ihrer Seite. In jeder seiner Gesten und jedem seiner Worte lag praktisch eine Negation ihrer Existenz, all ihrer Anschauungen, ihres eingeschlagenen Lebenswegs. Sie spürte es unterschwellig und hasste ihn.
    Ohne Zusammenhang, nur um zu sticheln, sagte sie: »Einen Ton haben Sie drauf ! Wie der Ton eines Dozenten vom Rednerpult. Sie halten sich sicher für den klügsten Menschen auf Erden.«
    »Ja, richtig geraten«, sagte Rost mit einem spöttischen kleinen Lächeln.
    »Da irren Sie sich gewaltig. In Wirklichkeit sind Sie ein dreister Junge, dem noch die Muttermilch an den Lippen klebt.«
    Jetzt will sie sich streiten, dachte Rost vergnügt, aber das wird sie nicht schaffen, nicht bei mir. Er sah auf zu der Kirche gegenüber, hinter der Anlage, deren Weiß sich im Sonnenschein in helles Orange verwandelt hatte.
    »Mischa ist todkrank, wissen Sie«, sagte er ein Weilchen später. »Ich habe ihm angeboten, nach der Entlassung aus dem Krankenhaus irgendwo zur Erholung hinzugehen. Ich könnte das leicht arrangieren, aber er hat abgelehnt. Falls Sie einigen Einfluss auf ihn haben –«
    »Auf Mischa hat kein Mensch Einfluss. Wenn er abgelehnt hat, hat er sicher seine Gründe.«
    »Meinetwegen«, sagte Rost resigniert und stand auf. Er verabschiedete sich von der jungen Frau und verließ die Grünanlage.
    Sobald die Mädchen in seinem Geburtsort glücklich das Gymnasium absolviert hatten, schnitten sie sich die Haare ab und rauchten Zigaretten. Einige fuhren zu Kursen im Inoder Ausland, setzten sich einen Kneifer auf die hässliche Nase, unternahmen in Männergesellschaft Reisen in die Alpen und kauten Karl Marx, Nietzsche und Kollegendurch, kochten Tee auf Spirituskochern in einem kleinen Zimmer und warteten zu jedem Monatsersten auf die Beihilfe vom Papa. Andere verfielen den Idealen der Weltrevolution, der Volksbewegung, des Klassenkampfes und so weiter. Wieder andere warteten gelangweilt im Elternhaus auf den künftigen Ehemann – lasen Bücher und langweilten sich, klimperten dilettantisch auf dem Klavier und langweilten sich, brüteten über ihrem Hass auf die konservativen Eltern und langweilten sich und gelangten zu dem Schluss, dass es sinnlos war … bis auch sie

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