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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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einen „Cappuccino aus Winterkräutern“, dann „Grapefruitscheiben ‚an‘ Brunnenkresse in Avocadoschaum“. Ich konnte aus der Haut fahren, wenn Edvard so künstlich tat; diese aufgesetzte Speisekartensprache paßte zu Alfred Biolek, aber nicht zu uns.
    „Hervorragend!“ rühmte Max, als ob sein Lob auch nur einen Pfifferling wert wäre. Er war eine Schnapsdrossel und kein Gourmet. Na gut, einen Connaisseur für Wein und Zigarren wollte ich ihm zugestehen, aber von Essen hatte er keine Ahnung.
    Wir aßen, tranken, schäkerten. Zwischendurch kam mal einer auf Politik zu sprechen oder auf die Aktienkurse; allmählich stieg uns der Wein zu Kopf. Während die Themen anfangs noch sinnvoll und für jeden nachvollziehbar ineinander überflossen, sprangen wir nun ohne ersichtlichen Grund von einem zum anderen, nahmen verschiedene mehrmals auf, bis wir – wie so oft – bei „Beziehungen“ landeten.
    „Das ist genau, was ich meine“, sagte Edvard. „Nimm deinen Ex, zum Beispiel. Ihr kanntet euch ’ne Weile, seid gemeinsam in Urlaub gefahren, dann hast du deinen Job in Hannover gekündigt, deine Wohnung aufgegeben, und kaum bist du hier angekommen, fällt ihm plötzlich ein, daß er einen anderen Kerl geiler findet.“
    „Aber eine eingetragene Partnerschaft hätte das auch nicht verhindert“, entgegnete Jean-Paul. „Meinst du denn, bei Hetenpaaren ist das anders? Wie oft liest man, daß Ehen nach ein paar Wochen annulliert werden? Die Scheidungsrate spricht Bände.“
    „Aber schwule Beziehungen gehen doch viel schneller auseinander“, verteidigte Edvard seinen Standpunkt. „Schau doch nur mal, wie einfach das ist: Man packt seinen Cockring, nimmt das Gucci vom Regal, und schwupps ist man aus dem Leben des anderen verschwunden.“
    „Aber ich bitte dich“, sagte Max. „In der Konsequenz hieße das doch, daß sich alle Haus und Kinder anschaffen sollten, damit die Trennung schwerer fällt.“
    „So unrecht hat er nicht“, warf ich ein und streckte meine Hand nach Edvard aus. „Es ist ja wirklich einfach abzuhauen. Wenn du dagegen eine gemeinsame Existenz aufbaust und eine gemeinsame Zukunft geplant hast, dann wirfst du das nicht so leicht weg. Du wirst es dir nicht zweimal, sondern hundertmal überlegen, bevor du die Beziehung hinschmeißt.“
    „Das ist grober Unfug“, sagte Jean-Paul. „Du kannst so viel schwören, wie du willst. Bei der ersten ernsthaften Krise sind die meisten weg.“
    „Ich kann nur sagen, daß das Ja-Wort für uns was verändert hat“, sagte Edvard.
    „Ach. Und ich habe gedacht, dir wäre es bei der ‚Hochzeit‘ nur um die Gaudi gegangen“, erwiderte Max.
    „Moi?“ Edvard legte sich die Fingerspitzen auf die Brust.
    Ich strich ihm über die Wange. „Meine drama queen.“
    Er warf mir einen verächtlichen Blick zu, erklärte sich weiter: „Jedenfalls gehen wir seither anders miteinander um.“
    Jean-Paul setzte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er konnte dieser persönlichen Erfahrung wenig entgegensetzen, aber ich sah ihm an, daß er sich nicht so schnell geschlagen geben wollte.
    „Siehst du das genauso, Bernhard?“ fragte mich Max.
    „Also mal abgesehen davon, daß ich mit dem Firlefanz drum herum nichts anfangen kann …“
    Edvard zog einen Schmollmund.
    „Das weißt du, mein Schatz“, entschuldigte ich mich und streichelte seinen Schenkel. „Aber ich muß auch zugeben, seit ich erlebe, was dieses Ja-Wort für einen Unterschied macht, stehe ich eher auf der Seite der Befürworter von eingetragenen Partnerschaften.“
    Jetzt lächelte Edvard wieder, und wenn ich mich nicht ganz täuschte, sah ich, daß ihn meine Aussage rührte.
    „Vielleicht ohne Rosenblätter und Reis“, setzte ich leise hinzu und grinste.
    Edvard sprang auf und tat so, als würde er mit Fäusten auf mich einschlagen, dann umarmte er mich, drückte und schüttelte mich. „Du bist unverbesserlich. Eines Tages wirst du erkennen, wie viel Geduld ich für dich aufbringe, und mir ewig dankbar sein.“ Dann wendete er sich unseren Gästen zu: „Feigen in Weißwein-Honigsud, aufgefrischt mit einem zarten Sorbet aus Nanaminze und Limetten?“
    Jetzt hätte ich ihn am liebsten erschlagen.
    Max und Jean-Paul schauten ihn fragend an.
    „Keine Antwort ist auch eine Antwort“, sagte Edvard und ging zielstrebig in die Küche.
    „Seid ihr euch denn treu?“ fragte Jean-Paul. Es scheint die Frage zu sein, die Singles am meisten bewegt, wenn sie auf ein Paar treffen. Als ob

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