Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
Vom Netzwerk:
ein bißchen zu freundlich, vermutlich um den Schmerz zu überdecken, den der Klang dieses Namens in ihm auslöste – nur Christian hatte ihn „Mäxx“ nennen dürfen; selbst Edvard, der Max schon lange kannte, sprach ihn nie mit diesem Namen an.
    „Oh! Ich verstehe“, sagte Jean-Paul und zog seine Hand zurück. „Ich hab das Buch gelesen. Hat mir sehr gefallen. Vor allem der Schluß. So ’ne richtige Tränendrüsenpresse.“
    „Danke. Das war meine Absicht.“ Am Ende des Romans beschreibt Max, wie er nach Christians Tod einen Mann kennenlernt, sich in ihn verliebt und mit ihm eine Beziehung eingeht.
    „O Mann, was hab ich geheult. Aber, wenn ich dazu was sagen darf …“
    „Du bist ja bereits dabei“, sagte Max und lachte.
    „Es hatte ja schon so einen touch von Courths-Mahler. Richtig glaubwürdig war das nicht.“
    Max rutschte auf seinem Stuhl zurück und warf einen Blick zu Edvard hinüber. Da hatte Jean-Paul mitten in die Wunde gestochen.
    „Hast du denn so was erlebt?“ fragte er weiter.
    „Na ja. Es ist doch immer etwas Wahres an den Romanen. Aber Liebe ist nun mal ein Märchen, und deshalb hab ich auch ein Märchen daraus gemacht.“
    Damit hatte er die Wahrheit geschickt umschifft. Edvard, mein geliebter leichtgläubiger Edvard, hatte Max geraten, den Schluß des Buches so zu schreiben, weil er behauptete, daß er dadurch den Liebhaber in seinem Leben „manifestieren“ würde. So nach dem Motto: Man muß nur fest dran glauben, dann wird es schon werden. Dieses „Naturgesetz“ – wie Edvard es nannte – glaubte er im ersten Kapitel des Johannesevangeliums begründet zu sehen, in dem so etwas steht wie: „Im Anfang war das Wort, und alles ist durch das Wort geworden.“
    Geklappt hatte das natürlich nicht. „Ich konnte ja nicht wissen, daß Max sich ausgerechnet seinen heterosexuellen Chef als Traumpartner aussucht“, hatte Edvard als Begründung vorgebracht.
    „Was? Du nennst die Liebe ein Märchen. So enttäuscht?“ fragte Jean-Paul.
    „Ist es nicht so? Wenn du dich verliebst, dann malst du dir doch alles mögliche aus: Endlich der Richtige! Endlich der Mann, der mich versteht, der mir alle Wünsche erfüllt, mit dem ich auf ewig zusammenbleibe! Liebe ist nur ein Märchen, nichts weiter.“
    „Aber ein schönes Märchen“, sagte Jean-Paul. „Im übrigen … liebe ich Märchen.“
    Ich schaute zu ihm hinüber und mußte zu meinem Schrecken feststellen, daß er Max … ja was, anhimmelte! Max erwiderte seinen Blick; sie schauten sich viel zu lange in die Augen.
    „Der Schluß deines Romans läßt jedenfalls vermuten, daß das Märchen deiner Liebe ziemlich leidenschaftlich ist“, setzte Jean-Paul nach.
    Ich schaute zu Edvard hinüber, der hatte seinen Kopf auf die Hand gestützt und schaute die beiden an, als wären sie Romeo und Julia.
    „Wenn du meinst“, sagte Max und senkte den Blick auf seine Finger, mit denen er an der Tischkante herumfummelte; ein leidendes Lächeln lag auf seinen Lippen.
    „Einen Cognac oder einen Fernet?“ fragte ich, um das Theater zu beenden.
    „Fernet?“ schreckte Edvard auf. „Wir haben keinen Fernet!“
    Ich warf ihm einen giftigen Blick zu, den er nicht verstand; Max und Jean-Paul schienen es überhört zu haben.
    Max schaute Jean-Paul wieder in die Augen, und das leidende Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. „Vielleicht hast du recht“, antwortete Max ihm.
    „Oder möchtest du vielleicht eine Zigarre, Max?“ fragte ich.
    „Nach dem, was ich gelesen habe, bin ich sogar davon überzeugt“, setzte Jean-Paul nach. Max würde nun bestimmt gleich sagen: „Dann find’s doch raus!“ Und das wäre das Ende von Jean-Pauls wunderschönen, prallen Lippen. Ich sah ihn schon nach dieser Nacht mit Max wie ein Zombie durch die Stadt laufen, blutleer, mit starrem Blick.
    „Du darfst nicht alles glauben, was du liest, Jean-Paul!“ sagte Max, stand auf, entschuldigte sich und ging ins Bad.
    „Und?“ flüsterte Edvard, sobald Max die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Wie findest du ihn?“
    „Puh“, sagte Jean-Paul und tat so, als würde er sich Schweißperlen von der Stirn wischen. „Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was er geschrieben hat, dann ist er genau mein Fall.“
    „Dann ran!“ sagte Edvard.
    „Bist du sicher, daß er Single ist?“
    „Ganz sicher“, sagte ich und bemühte mich, gelangweilt zu klingen. „Das wird er auch immer bleiben.“
    Jean-Paul schaute mich erschrocken an.
    Edvard machte eine

Weitere Kostenlose Bücher