Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Ärger mit ihm und ließ ihn gehen.
„Wann kommst du wieder?“ fragte ich statt dessen.
„Ich bin in zwei Tagen zurück.“
In zwei Tagen war dann schon der zweiundzwanzigste, nur noch zweieinhalb Wochen bis zur Party am neunten. „Gut, dann kümmere ich mich allein um die Party“, sagte ich.
„Party?“ fragte er, als hörte er dieses Wort zum ersten Mal in seinem Leben.
Er schleppte sich an den Eßtisch und ließ sich in einen Stuhl fallen. „Muß das sein, Edvard? Wenn Raimondo weg ist, freue ich mich einfach auf Ruhe. Kannst du das verstehen? Außerdem ist Mama noch hier. Du weißt: Ich will nicht, daß sie davon erfährt.“
Ich setzte mich ihm gegenüber: „Ich habe dich nicht gebeten, daß du dich um Raimondo kümmerst. Diese Party ist lange ausgemacht, unsere Freunde rechnen damit, und ich freue mich darauf. Wir feiern damit unsere Beziehung, Berni. Und das ist mir verdammt wichtig.“ Ich mußte mich zwingen, nicht laut zu werden.
Er schaute mich fassungslos an, ein Blick, der mir Schuldgefühle einimpfen sollte. Aber darauf stieg ich nicht ein. Bevor ich doch noch aus der Fassung geriet, sagte ich: „Mir ist sie wichtig, und ich werde sie feiern. Notfalls auch ohne dich.“ Dann stand ich auf und ging in die Küche.
Ich goß das Wasser aus dem Kocher, damit sich der Kalk nicht so ablagerte, und wischte das Spülbecken nach. Da hörte ich die Schlafzimmertür ins Schloß fallen. Ich ging raus ins Große, nahm ein Schnapsglas aus dem Schrank und goß mir einen eisgekühlten Heidelbeergrappa ein. Dann nahm ich Papier aus dem Arbeitszimmer, holte mein Adreßbuch und machte mich an die Arbeit.
Lydia *
Als ich endlich aus dem Bett kam, hatte ich eine furchtbare Nacht hinter mir. Es war der Streit zwischen meinem Jungen und seinem Freund, der mich nicht hatte schlafen lassen. Ich verstand zwar kein Wort, aber der Tonfall von Edvard verriet es mir, und dann das Knallen der Schlafzimmertür; Streit zwischen den beiden, das hatte ich noch nicht erlebt.
Streit war etwas Schreckliches, und für mich nur schwer zu ertragen. Es fiel mir schon schwer, wenn meine Kinder Auseinandersetzungen hatten, damals, als sie noch Kinder waren. Heute erinnerte mich jeder Streit nur an die Spannungen zwischen meinem Theo und mir, wühlte all die Erinnerungen wieder auf, die ich über die Jahre gelernt hatte zu vergessen. Es waren der Streit unseres Lebens, all die unausgesprochenen Worte, die mich während unserer gesamten Ehe so bedrückt hatten, und die damit verbundene Spannung, als ob ich auf einem Drahtseil wanderte, die mich letzte Nacht noch länger wach liegen ließen, als ich es ohnehin schon jede Nacht tat.
Aber nun war es Zeit, ich mußte raus. Bernhard hatte gesagt, daß wir spätestens um halb acht losfahren müßten, wenn wir alles schaffen wollten: Raimondo abholen, zum Bahnhof fahren, Auto zurückgeben. Eigentlich viel zu früh für mich, aber es blieb mir nichts anderes übrig, wenn ich mich von Herrn Raimondo verabschieden wollte. In unserem Alter konnte man nicht sicher sein, daß man sich je wieder sah.
Mein Junge war schon angezogen, als ich nach draußen kam; er stellte gerade die Teekanne auf den Tisch. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen, von Edvard keine Spur; ein Morgen ohne ihn, der erste Morgen ohne Edvard. Ich hatte mich so an sein Strahlen gewöhnt – daran, daß er den Tisch deckte, der viel appetitlicher aussah, als das, was mein Sohn fabriziert hatte –, daß ich mir vorkam, als wäre ich in einer fremden Wohnung aufgewacht. Bernhards Stille war wie ein Sog, sie legte sich über das Frühstück wie ein Mantel aus Blei.
Ich sagte kaum etwas, schon weil ich vermeiden wollte, auf ihren Streit zu sprechen zu kommen. Wir aßen Toast, tranken Tee und machten uns dann auf in den Tag.
Bernhard stellte das Gepäck in den kleinen Aufzug und lief dann die Treppen zu Fuß hinunter. Ich wartete, bis er unten ausgeladen hatte, und holte den Aufzug dann nach oben, um damit runterzufahren. Bernhard verstaute gerade das Gepäck im Kofferraum, als ich auf die Straße trat, hinaus in einen sonnigen Tag.
Ich stieg gleich ein, kurz danach Bernhard. „Hast du alles?“ fragte ich ihn, „Brille, Stock, Schirm, Gebiß?“
Er nickte und ließ den Motor an.
„Ach herrje“, sagte ich. „Jetzt hab ich das Geschenk für Herrn Raimondo vergessen.“
„Mama!“
„Bitte, mein Junge.“
Er stellte den Motor wieder ab. „Also gut. Wo ist es?“
„Auf dem Boden neben der Kommode stehen
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