Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
zwei Plastiktüten aus dem Reformhaus. Darin sind einige Geschenke, leider schon alle verpackt, deswegen mußt du suchen. Es ist nicht ganz einfach … In der einen müßten … warte. Nein, es ist leichter, … also eine von den beiden größeren Packungen, wenn du die schüttelst. Die mit der dünneren Flüssigkeit ist für Herrn Raimondo, die andere für Birgit.“
Er schaute mich fragend an.
„Ich gehe wohl besser selbst.“
„Ja, Mama.“ Er verzog das Gesicht. „Und ich komme mit.“ Bevor ich etwas erwidern konnte, war er schon aus der Tür. Es war mir sehr unangenehm; mein Junge war ungeduldig, und nun vergeudete ich auch noch seine Zeit.
Edvard saß nur mit einem Bademantel bekleidet am Tisch. Um ihn herum Briefkuverts, bunt bedrucktes Papier, Listen.
„Guten Morgen“, sagte ich.
Er strahlte mich an, aber es lag ein Schmerz in seinem Lächeln.
„Wir saßen schon im Wagen, da fiel mir ein, daß ich das Geschenk für Herrn Raimondo vergessen habe“, erklärte ich.
„Na, da haben Sie ja richtig Glück gehabt“, sagte er und schnürte den Mantel enger.
Ich schaute ihn fragend an.
„Na, daß es ihnen jetzt eingefallen ist und nicht später.“
„Ach ja. Freilich.“
„Ich hoffe, ich habe Sie nicht gestört“, sagte ich und deutete auf die Unterlagen. „Das täte mir leid.“
„Nein. Nein, kein Problem. Ich mache nur gerade … eine Einladung fertig. Wir haben doch bald … Schlußverkauf, und da schreibe ich … die Kunden an. Sie wissen ja, wenn man sie nicht persönlich anspricht …“
Ich nickte, ging in mein Zimmer und bückte mich zu den Tüten hinunter. Ich hatte einige Geschenke gekauft: Molat für Kim; das Mädchen arbeitete so viel, die tägliche Stärkung würde ihr guttun. Tannenblut für Birgit; sie litt seit zwei Wochen unter einem Reizhusten. Lipstick habe ich Ginseng gekauft, als Dank für die Nagelpflege, die er mir wöchentlich zukommen ließ. Kleinigkeiten nur, aber wie heißt es so schön: „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“
Für Herrn Raimondo hatte ich eine Flasche Doppelherz erstanden; ich dachte, es könnte ihm nicht schaden, etwas für sein strapaziertes Herz zu tun. Da mir die Dame im Reformhaus alles so hübsch verpackt hatte, tat ich mich schwer herausfinden, in welcher Verpackung sich welches Geschenk befand. Aber nach ein bißchen Schütteln und Abtasten war ich mir dann sicher.
Ich ging mit dem Geschenk ins Große und kriegte mit, daß sich die beiden wieder anzischten – der Streit war wohl immer noch nicht beigelegt –, deshalb blieb ich an der Tür stehen. Edvard schaute auf, lächelte, mein Sohn sah mich und ging ohne ein weiteres Wort zur Tür.
„Komm endlich, Mama!“ sagte er zu mir. „Wir sind spät dran.“
„Bis später dann“, sagte Edvard. „Hoffentlich haben Sie jetzt alles dabei. Nicht, daß Sie nicht hier sein könnten; Sie sind mir herzlich willkommen. Ich meine nur, Sie sollten sich den Weg …“
„Ciao, Edvard“, unterbrach ihn mein Sohn und zog die Tür hinter uns zu.
„Bis später, Oma Moll“, hörte ich ihn drinnen rufen und ich antwortete: „Tschüs, Edvard, mein Junge.“
Im Aufzug sagte ich: „Das tut mir jetzt aber leid. Wir haben ihn wohl gestört.“
„Nein, Mama. Es ist nichts.“ Sein Ton war scharf, er schaute mir nicht in die Augen.
Wir gingen schweigend zum Wagen, stiegen ein und fuhren los. Die Straßen waren leer an diesem Sonntagmorgen, im Nu waren wir aus der Stadt und auf der Autobahn.
Bernhard war still; seine Stimmung erinnerte mich so sehr an meinen Mann, daß sie mir die Qualen meiner Ehe in Erinnerung rief; Theo hatte auch nie ausgesprochen, was ihn bewegte, und ich war daneben gestanden und wußte nicht, was tun; ich hätte ihm ja gern geholfen.
„Was ist denn nur los, mein Junge?“ fragte ich ihn dann, als wir an dem Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung vorbeifuhren und er gleich darauf auf die schwindelerregende Geschwindigkeit von einhundertvierzig Stundenkilometern beschleunigte.
„Nichts. Was soll schon sein?“ antwortete er und starrte auf die Fahrbahn. „Es ist alles ein bißchen viel. Wir sind gereizt.“ Er machte eine Pause; ich sah, daß er überlegte. „Edvard möchte, daß ich Zeit für ihn habe.“
„Ich könnte ja nach Hause fahren“, sagte ich schnell; es belastete mich zu fühlen, daß ich im Weg war. „Ich weiß sowieso nicht, wie gut sich Frau Eder um den Garten kümmert.“
„Nein, Mama. Du sollst nicht allein sein.“ Wieder eine
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