Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Ich dachte schon, B hätte vielleicht aufgelegt, aber das grüne Lämpchen der Feststation leuchtete noch.
Es mögen vielleicht zwanzig Minuten vergangen sein, da kam B aus seinem Zimmer. „Hi“, sagte er und ging zaghaft auf den Tisch zu. „Ich … äh. Hier Edvard. Raimondo. Für dich.“ Dann legte er das Telefon vor ihm auf den Tisch.
Ed schaute B nicht an, nur das Telefon, als müßte er erst feststellen, ob sich vielleicht eine Bombe darin verbarg. Dann blickte er einmal in der Runde herum und stand auf. „Ihr entschuldigt.“ Er nahm das Telefon und ging damit ins Schlafzimmer.
B blieb stehen, mit den Händen in den Hosentaschen. Es war ein bißchen so, als hätte sich der Dämon plötzlich manifestiert. Alle starrten ihn an.
„Na, habt ihr genug zu trinken?“ fragte er.
„Hast du nicht Hunger, mein Junge?“ fragte Nani, stand auf und drückte ihn in den Stuhl. Dann schob sie ihm einen leeren Teller hin, das Fladenbrot und eine Schale Oliven. Essen war ihr Rezept gegen alles – oder war es vielleicht das Rezept aller Mütter?
Hannah kletterte auf Bs Schoß.
„Berni. Was ist das? Es macht ‚Quak, quak‘ und sitzt in meiner Badewanne.“
Nani stiegen Tränen in die Augen; sie ging schnell in die Küche.
„Ein Frosch?“ rätselte B.
„Nein, das ist Berni.“ Hannah kicherte. Niemand verstand, was sie damit meinte, aber es schien sie köstlich zu amüsieren. Wenigstens hellte es Bs Gesicht ein wenig auf. Er kitzelte sie, die sich auf seinem Schoß ohnehin schon wand wie eine indische Tänzerin.
„Sagt mal, wann geht das morgen eigentlich los?“ fragte Gerald. „Muß man da früh in der Bräurosl sein?“
„Habt ihr Karten für die Empore?“ fragte Barbarella.
„Ja“, antwortete Armin.
„Dann könnt ihr hingehen, wann ihr wollt. Ohne Karten hätte ich gesagt, daß ihr spätestens um zwölf im Zelt sein solltet, weil …“
Und sie redeten und redeten über das Oktoberfest. Auch dieses Thema wäre sicherlich interessant gewesen, denn auch ich wollte morgen hin – Mäxx hatte mir erzählt, wie lustig es früher gewesen war, als er noch ging; ich hatte versucht, ihn zu überreden, Junior und mich zu begleiten, aber er sagte, daß er schon eine andere Verabredung hätte –, aber auch darauf konnte ich mich nicht konzentrieren. Worüber Raimondo wohl mit Edvard sprach?
B rückte übrigens nie damit raus, was Mondo zu ihm gesagt hatte. Dagegen war es ein leichtes zu erfahren, was er zu Ed sagte, aber das erfuhr ich natürlich erst viel später, erst als sich der ganze Rummel um Nani gelegt hatte, und das dauerte.
Raimondo erzählte Ed davon, wie wichtig das Thema „Verzeihen“ für B war. „Ich soll mich entschuldigen?“ hatte Ed gefragt. „So, wie Bernhard sich aufgeführt hat?“
„Eduardo. Henne oder Ei“, hatte Mondo geantwortet. „In einer Beziehung weiß man nie, wer mit etwas angefangen hat. Aber beide haben in jedem Moment die Möglichkeit, mit Streit und Unmut aufzuhören. Sich zu entschuldigen schadet nie, Eduardo. Es kostet dich nur ein bißchen … Demut. Und wenn du ihn wirklich liebst, wird es dir leicht fallen.“
Das hatte er gesagt, und deswegen kam Ed, der davor wie ein aufgeplusterter Pfau herumgehüpft war und B ignoriert hatte, dann sehr still aus dem Schlafzimmer, stellte sich hinter B, gab Nani das Telefon und sagte: „Oma. Raimondo möchte dich sprechen.“ Dann legte er seinem Mann die Hände auf die Schultern: langsam, vorsichtig, jederzeit bereit, sich zurückzuziehen.
Es war offensichtlich, daß B sich anfänglich ein wenig unwohl fühlte, dann, als niemand darauf einging – und niemand wagte es –, entspannte er sich wieder.
„Herr Raimondo?“ Nanis Stimme klang sehr weich. „Ja! Ja? Ach, wie lieb von Ihnen.“ Er redete offenbar wie ein Wasserfall, denn lange Zeit hörte sie nur zu. Sie hielt den Hörer mit beiden Händen fest an ihr Ohr, und ihre Augen wanderten an der Zimmerdecke umher.
„Ja?“ Ihre Stimme wurde leiser. „Ja.“ Sie senkte den Blick, dann sah ich, wie Tränen auf ihr Kleid tropften und dunkle Flecken hinterließen. Was sagte er ihr, das sie so traurig machte?
Ich tippte B, der mit sich und Ed beschäftigt war, unter dem Tisch an, woraufhin Ed Nani an den Schultern ins Schlafzimmer führte und die Tür hinter ihr schloß.
Die Gäste setzten das Gespräch fort und redeten nun auch über jene Ereignisse auf der „Gay Wies’n“, die sie vorher, so lange Lydia am Tisch saß, nicht angesprochen hatten: die
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