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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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er zurückkam und uns sah. Er legte Nanis Beine nebeneinander, holte ein flaches Kissen, um es unter ihren Kopf zu legen, und deckte sie zu.
    So saßen wir dann neben ihr: Bernhard am Kopf, Edvard zu ihren Füßen und ich dazwischen. Wir warteten. Noch nie war die Zeit so lang. Nanis starre Augen waren auf die Decke gerichtet, als würde sie dort ein Gespenst sehen, aber als ich ihr mit der Hand vor dem Gesicht herumfuchtelte, reagierte sie nicht. Der Dämon entzog ihr allmählich das Leben.
    B legte seine Hand auf ihr Bein und streichelte sie. „Mama“, flüsterte er, als würde er versuchen, sie vorsichtig zu wecken. Da fing Ed an zu weinen. Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter und griff mit der anderen nach B. Wir drei hielten uns an den Händen.
    Das war auch, was die Rettungsassistenten von uns zu sehen bekamen. Sie schoben uns zur Seite, leuchteten Nani mit einer Lampe in die Augen. Einer tastete nach ihrem Puls, während der andere eine Blutdruckmanschette um ihren Arm legte.
    „Frau Moll! Hören Sie mich?“ Aber sie reagierte nicht.
    In Null Komma nichts schnitt der eine ihr Kleid und den BH auf, um kleine Saugknöpfe auf ihrer Brust zu befestigen. Als er die Narben sah, stieß er seinen Kollegen mit dem Ellenbogen an.
    In dem Moment kam der Arzt.
    „Und?“
    „Schwacher Puls von fünfzig, EKG läuft, Pupillen unterschiedlich groß, und …“, er zog das Kleid auseinander und deutete auf Nanis Brust.
    Der Arzt kniff Nani in den Arm, aber sie reagierte nicht. Dann stach er eine Nadel unter die Haut und hängte eine Flasche mit klarer Flüssigkeit daran.
    Bevor wir begriffen, was passiert war, packten die Sanitäter Nani auf eine Trage und transportierten sie im Laufschritt aus der Wohnung. Es ging alles so schnell. Erst später wurde klar, daß der Dämon nun sein Opfer bekommen hatte.

Lydia *
     
    Ich war völlig entspannt, mein Körper leicht, und selbst der furchtbare Tumult, der um mich herum entstand, brachte mich nicht aus der Ruhe. Noch nie zuvor hatte ich mich so wohl gefühlt. Es war, als flöße die Schwerkraft aus mir heraus und mit ihr alle Fehler der Vergangenheit.
    Wie aus dem Nebel schärfte sich ein Bild: eine Küche, eine Frau auf dem Boden, drei junge Männer um sie herum. Es war so still, so angenehm. Mein Junge. Er flüsterte mir etwas zu, aber ich konnte ihn nicht hören. Da war Trauer. Mit einem Schlag überkam mich ein unbändiger Schmerz, und dennoch fühlte ich mich gut dabei. Ich habe mich ihm so nah gefühlt, ihm und den anderen.
    Dann kamen zwei Männer in roten Uniformen. Sie werkten rauh an dem fast leblosen Körper herum. Sie riefen Dinge, ein Arzt steckte eine Nadel in den Arm und machte ein ernstes Gesicht. Alles ging sehr schnell, viel zu schnell.
    „Langsam“, rief ich, aber sie hörten mich nicht. „Macht euch keine Sorgen. Es kommt alles in Ordnung.“
    Ich fühlte mich leicht wie ich eine Wolke. Ich stieg auf, weiter und weiter. Dann zog es mich mit einem Ruck nach unten; das Bild verschwand, und ich nahm nichts mehr wahr.

Edvard *
     
    „Sind Sie der Sohn?“ fragte mich der Arzt in der Patientenaufnahme.
    „Nein, das bin ich“, sagte Berni. „Aber Edvard gehört mit zur Familie.“ Er sagte das wirklich, und ich bildete mir ein, ein Lächeln auf Lydias Gesicht zu sehen. Ich griff nach ihrer Hand, nach ihrer schlaffen, viel zu kühlen Hand, die immer so warm gewesen war, wenn sie sie mir an die Wange gelegt hatte.
    Die Rettungsassistenten öffneten die Befestigungsgurte der Trage und hoben sie zusammen mit der Decke auf ein Bett. Ein Pfleger stöpselte das tragbare EKG ab und verband die Kabel mit einem Monitor. Als sie ihr die Decke wegzogen, entblößten sie die Narben auf ihrer Brust. Der Pfleger machten den Arzt darauf aufmerksam.
    Der Arzt schaute auf sie hinunter, nickte und wendete sich gleich wieder uns zu: „Leidet Ihre Mutter an Diabetes? Hat sie Anfallsleiden? Einen Herzschrittmacher?“ Berni schüttelte den Kopf. „Wissen Sie, ob sie an Bewußtseinsstörungen litt?“
    „Na ja, sie eckte schon manchmal an Tischkanten an“, sagte ich, weil Bernhard wenig davon mitbekommen hatte, „und sie hat auch schon mal Dinge übersehen, die im Weg standen, einen Stuhl oder Spielzeug von unserer Tochter.“ Der Arzt schaute von mir zu meinem Mann, dann wieder mir in die Augen. Vermutlich wunderte er sich gerade über den Ausdruck „unsere Tochter“. „Ein paarmal hat sie auch gesagt, daß ihr schwindelig ist“, vervollständigte ich.
    „Hat

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