Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
kleinen erotischen Einlagen, die Spiele auf der Toilette undsoweiter. Und wieder wäre es sehr interessant gewesen, dem zu lauschen, aber auch jetzt konnte ich mich nicht konzentrieren. Das Gespräch zwischen Nani und Mondo dauerte und dauerte und dauerte. Und selbst als das kleine grüne Lämpchen der Feststation schon längst erloschen war, kam sie nicht aus ihrem Schlafzimmer.
Ich fragte mich, ob ich zu ihr gehen sollte – Ed stand immer noch hinter B und behielt seine Hände fest auf seinen Schultern –, aber sie war nicht meine Mutter, es kam mir unangemessen vor. Zu Hause, ja, da wäre ich gleich reingegangen und hätte mit ihr gesprochen. Aber zu Hause würde sich eine Mutter mit vielen Kindern auch nie einsam fühlen.
„Und wie gefällt es dir hier in Deutschland?“ fragte Armin.
Ich hatte nicht aufgepaßt. „Ich? Es ist … schön“, antwortete ich.
„Du kommst aus Harare, nicht wahr? Was, würdest du sagen, ist der größte Unterschied in der Mentalität der Menschen?“
„Hm. So anders sind wir nicht.“
„Du wirkst so gelassen. Ist das typisch für jemand aus deinem Teil der Welt?“
„Gelassen?“ fragte ich. „Nein. Bin ich gar nicht.“ Ich hätte ihm erzählen können, daß die Deutschen zweckorientiert waren, alles, womit sie sich beschäftigten, mußte zu einem Ziel führen. Ich hätte ihm sagen können, daß ich bestimmte Gefühle und Empfindungen erst hier kennengelernt hatte: Streß, Enttäuschung und Sehnsucht, ja, Sehnsucht. Ich sehnte mich nach meinen Schwestern, nach meiner Mutter und meinem Vater. Ich sehnte mich danach, einfach mal nur abzuhängen, albern zu sein, einen Tag ohne Regeln zu verbringen. Aber ich wollte nicht darüber sprechen. Ich wollte nicht als anders gelten, als Außenseiter, als „Afrikaner.“ Ich war ein Mensch, und das sollte genügen.
Armin ließ jedoch nicht locker. Er wollte unbedingt einen Unterschied in der Mentalität festmachen; er schien einfach nicht zu merken, wie Fragen dieser Art diskriminierten.
Gott sei Dank kam Nani endlich aus dem Zimmer und unterbrach das Gespräch. Ihre Augen waren rot von den vielen Tränen, aber ihr Gesicht strahlte rosig. Noch etwas, was ich hier lernte: Es schien, als sei jene Liebe am glücklichsten und dauerhaftesten, die man nicht haben konnte.
„Er läßt euch alle ganz lieb grüßen“, sagte sie, dann faltete sie ihre Hände vor ihrem Schoß. „Was für ein feiner Mann!“
„Wie geht es ihm?“ fragte einer.
„Gut. Er erholt sich wohl nur langsam, aber er ist glücklich, zu Hause zu sein. Seine Schwägerin kocht ihm seine Lieblingsgerichte …“ Sie verstummte.
„Die Jungs wollen gehen“, sagte B. „Sie haben nur gewartet, damit sie sich von dir verabschieden können.“ Es war schon nach elf.
„Ja. Ich weiß nicht, ob wir uns noch mal sehen“, sagte Lipstick. „Eddi sagte, Sie würden bald nach Hause fahren.“
Nani griff nach seiner Hand.
„Es war wirklich nett, daß wir Sie kennengelernt haben, Frau Moll.“
„Aber …“ Sie schaute auf den Tisch und dann von einem zum anderen. „Sie haben doch noch gar keinen Nachtisch gegessen.“
„Vielen Dank, Frau Moll. Es ist jetzt wirklich genug.“
„Nein, nein. Sie dürfen nicht gehen, ich bin noch nicht fertig“, sagte sie, was ich nicht verstand, und lief in die Küche. Edvard blickte einmal in der Runde umher, bis sich der Einspruch gelegt hatte, da hörten wir plötzlich einen dumpfen Schlag. Es hätte sonst was sein können, aber alle schauten erschrocken auf.
Ed, der ohnehin stand, stürzte hinein. „Oma“, hörte wir ihn rufen. „Oma!“ Sein Schrei ging durch Mark und Bein.
Ich lief zu ihm. Nani lag am Boden, die Beine von sich gestreckt. Sie sah irgendwie tot aus, aber sie atmete. Ihre Augen waren starr, die Pupillen unterschiedlich groß und ihr Gesicht verzerrt.
„Mama!“ rief Bernhard und schob unsere Freunde beiseite. Er rüttelte an ihrer Schulter, aber sie antwortete nicht. Der Dämon. Wir hatten sie allein gelassen. Durch die kleine Party hatten wir ihn aus dem Großen verdrängt. Während sie im Schlafzimmer telefonierte, mußte er sich über sie hergemacht haben.
„Laß sie liegen. Du kannst ihr nicht helfen“, rief ich.
Ed hatte schon die Rettung in der Leitung; er war schnell in solchen Dingen. „Bewußtlos“, hörte ich ihn sagen und noch einiges andere. Dann scheuchte er unsere Freunde aus der Wohnung.
Nani bewegte sich nicht, sie lag einfach nur still da.
„Was macht ihr da?“ fragte Ed, als
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