Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
hier.“ Aber sie reagierte nicht.
„Sie kann dich nicht hören, Edvard“, sagte Bernhard; seine Stimme klang fast hölzern. Ich schaute ihn erschrocken an. „Sie liegt im Koma.“
Der Vorhang wurde aufgerissen. „Herr Moll?“ fragte ein Pfleger. Wir wendeten uns beide ihm zu. „Der Neurochirurg ist da.“ Er drehte sich um und ging. Er ging schnell, rannte fast in den Glaskasten in der Mitte der Station. Bernhard folgte ihm.
Ich schaute auf Lydia hinunter, ihr Atem war langsam und schwer. Wenn ich jetzt ging, würde ich sie noch einmal sehen? fragte ich mich und tastete nach ihrer Hand. Sie war kalt, so erschreckend kalt. Und dann liefen schon wieder Tränen an meinen Wangen herunter.
„Komm!“ flüsterte mir Bernhard von hinten zu, legte seine Hand auf meine Brust und zog mich sanft von ihr weg. „Der Arzt hat nicht viel Zeit.“
„Herr Moll?“ Der Arzt schüttelte Bernhard die Hand, ein einschätzender Blick auf mich. „Wollen Sie sich vielleicht setzen?“ fragte er. Das bedeutete nichts Gutes.
„Danke, nein.“
„Ich fürchte, es steht nicht gut um Ihre werte Frau Mama.“
„Am besten, Sie sagen mir einfach, was los ist“, sagte Bernhard trocken und fixierte die Bilder der Computertomographie, die vor den Leuchtkästen an der Wand hingen.
Der Arzt faltete die Hände und zuckte dann mit den Schultern. Er machte ein Gesicht, als würde er sagen: „Wie Sie wollen.“ Dann ging er zu den Bildern hinüber: „Das gesunde Gehirn wird weiß abgebildet. Diese dunklen Stellen, die Sie hier sehen, sind Blut, das ausgetreten ist, verursacht durch eine Ruptur, einen Riß eines Blutgefäßes.“
„Wie kann so was passieren?“ fragte ich.
Wieder der abschätzige Blick. Der Arzt schaute Bernhard an, aber der reagierte nicht.
„Sehen Sie hier diese wölkchenartigen Gebilde?“
Wir traten beide näher heran.
„Es sind … Metastasen.“ Bernhard schlug die Augen nieder, stützte seinen Kopf in die Hand. „Vermutlich von dem Brustkrebs, den Ihre Mutter vor einigen Jahren hatte. Sie … haben eingeblutet … und so zu dem Apoplex geführt.“
Berni schaute wieder auf. „Was werden Sie dagegen tun?“
„Sehen Sie hier diese Linie?“ fragte er anstatt zu antworten. „Das ist die Mittellinie zwischen den beiden Hirnhälften. Wie Sie sehen, befindet sie sich nicht mehr in der Mitte, das heißt, das Gehirn wird einseitig verdrängt.“
„Was kann man dagegen tun?“ wiederholte Berni seine Frage.
Der Arzt schaute ihn kurz an und sprach dann weiter: „Diese Metastasen …“, der Arzt deutete noch einmal auf die kleinen grauen Wölkchen, die in mehreren der Aufnahmen, die die unterschiedlichen Ebenen von Lydias Gehirn darstellten, zu sehen waren. „Sie befinden sich im … vierten Ventrikel und … Wollen Sie sich nicht doch setzen?“
„Was werden Sie dagegen tun?“ wiederholte Bernhard gefaßt.
Der Arzt holte Luft: „Ihre Mutter liegt im Koma, weil sich ein Ödem gebildet hat, das den Hirnstamm einklemmt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere … Vitalfunktionen ausfallen, wie zum Beispiel … die Atmung.“
„Und was werden Sie dagegen tun?“ Bernhard preßte die Worte hervor. Sein Hals war angespannt, und die Knöchel seiner Finger waren weiß.
„Herr Moll. Ich wurde hinzugezogen, weil man erwogen hat, den Hirndruck operativ zu verringern. Aber wenn ich ehrlich sein soll …“
Bernhards Gesicht lief rot an, dann zischte er: „Sie sollen nicht ehrlich sein, sondern etwas tun.“
Ich legte ihm meine Hand auf den Rücken, aber er schüttelte sie ab.
„Wir tun selbstverständlich alles für Ihre Mutter, was sinnvoll ist. Momentan bekommt sie eine hyperosmolare Lösung, die dem Gewebe Wasser entzieht, um die Schwellung des Ödems zu reduzieren. Und selbstverständlich werden wir sie beatmen, sobald dies notwendig wird. Aber eine Operation ist nicht mehr sinnvoll.“
„Nicht mehr sinnvoll.“ Wie sich das anhörte. Wie ein neuer Auspuff für ein altes Auto: Die Investition lohnt sich nicht. Es erboste mich, aber langsam sanken die Worte bei mir ein.
Bernhard starrte auf den Boden, und ich sah, daß er zitterte. Er atmete tief durch, dann drehte er sich um und griff nach einem Stuhl, sank auf ihn hinunter und legte die Finger beider Hände an seine Lippen.
„Nicht mehr sinnvoll“, wiederholte er leise.
Der Arzt schaute mich an, ich starrte zurück. Zu mehr war ich nicht fähig. „Mitfließen!“ das war die einzige Rettung, „geschehen lassen, sich nicht gegen
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