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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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unterscheiden muß …“
    „Sie verkauft Mädchen?“
    „Fotomodelle, Mama. Hauptsächlich für Modekataloge.“
    Ach, so war das gemeint. Diese jungen Leute hatten eine Ausdrucksweise … Es beruhigte mich, das zu hören. Die Umstände, unter denen die kleine Hannah aufwuchs, waren schon seltsam genug.
    „Ich will ja nicht drängeln“, sagte Edvard, „aber du wolltest noch unter die Dusche, Berni, und es ist schon halb elf durch. Ich wäre gerne etwas früher da, weil ich mit Freunden verabredet bin.“ Bernhard äffte ihn nach, und Hannah entfleuchte der erste belustigte Kiekser, deshalb scherzte mein Sohn weiter, während Edvard sich daran machte, den Tisch abzuräumen. Ich stand auf, um ihm zu helfen.
    „Bleiben Sie ruhig sitzen“, sagte er. „Ich hab da Routine. Bernhard gibt mir ausreichend Gelegenheit dazu.“ Er warf meinem Jungen einen giftigen Blick zu, woraufhin der Hannah wieder etwas ins Ohr flüsterte und beide kicherten.
    „Na, wartet, ihr zwei! Sich auch noch gegen mich verschwören. So weit kommt‘s noch.“ Edvard ließ das Besteck fallen, lief um den Tisch herum und begann beide zu kitzeln. Hannah zappelte und quiekte, Bernhard spielte mit. Es dauerte nicht lange, da brachen die drei mit hochrotem Kopf ab und blieben schnaubend auf dem Boden liegen.
    „Also, ich geh jetzt unter die Dusche“, sagte Bernhard, während er nach Luft japste. Und zu Hannah: „Hast du dich heute schon gewaschen?“
    „Jaaaa!“
    „Laß mich mal schnuppern.“ Bernhard steckte die Nase in ihr Haar. „Puuh, du kleine Muffelmaus. Dich nehm ich gleich mit.“
    Hannah entwand sich ihm. „Nein. Ich will nicht!“ Sie rannte quer durch den Raum ins Wohnzimmer; Bernhard jagte, wie eine Wildkatze fauchend, hinter ihr her.
    Edvard schaute die beiden an und schüttelte den Kopf, dann sammelte er erneut das Besteck ein und ging in die Küche: „Es ist immer dasselbe mit den beiden. Ich kann mit dem Drängeln gar nicht früh genug anfangen.“
    Unter diesen Umständen wollte ich mich beeilen; sie sollten am Ende nicht auf mich warten müssen. „Edvard. Was muß man denn zu so einer Veranstaltung anziehen?“ fragte ich und trug Zuckerdose und Milchkännchen in die Küche.
    „Ach, was Sie wollen. Es ist kein besonderer Event. Eine Lesung halt, mehr nicht.“
    „Gut, dann mache ich mich jetzt fertig.“

    Um kurz vor zwölf verließen wir das Haus. Edvard hatte schon eine halbe Stunde vorher fix und fertig an der Tür gestanden, aber zuerst dauerte es, bis Hannah alle Sachen beieinander hatte. Kaum war sie in Schal und Mütze eingepackt, mußte sie ganz dringend Pipi, und dann hatte Bernhard seine Schlüssel verlegt.
    Edvard setzte Hannah in den Buggy, „damit wir schneller vorankommen“, erklärte er, und schob sie die Straße hinunter zum Taxistand. Bernhard ging neben ihm, ich trottete hinter den dreien her. Es war mir unmöglich, mit den beiden Schritt zu halten, langsam fiel ich immer weiter zurück. Es war ein eigenartiges Bild: zwei Männer mit einem Kinderwagen. Was dachten wohl die Menschen, die uns begegneten? Sie konnten doch unmöglich annehmen, daß das Kind von mir war.
    „Mama, kommst du?“
    „Ich laufe, so schnell ich kann, mein Junge. Geht nur voran, ich komme nach.“
    Das Literaturhaus brummte nur so vor Menschen. Im Café schien es, als würden die Gäste an den atemfeuchten Scheiben zerdrückt. Edvard stürzte ungeduldig die Treppen hinauf, ich nahm den Aufzug und bot mich an, Hannahs Buggy mitzunehmen.
    Oben angekommen sah ich erst, wie herrlich sich der Tag entwickelt hatte, denn von hier aus hatte man einen wunderschönen Blick über die Stadt bis hinein in die Berge. Während es heute morgen noch genieselt hatte, waren die Wolken inzwischen aufgebrochen. Die Sonne überzog die Gebäude mit einem goldenen Schimmer.
    Die Räume empfand ich als kühl. Nirgendwo hingen Bilder, es gab keine Möbel außer dem kleinen Tisch auf dem Podest mit einem Strauß Blumen darauf und natürlich den Stühlen für das Publikum.
    In der Menge fand ich meinen Jungen nur deshalb, weil ich Hannah weinen hörte. Das arme Ding. Kein Wunder. Es drängten sich viel zu viele Menschen hier oben. Vermutlich wollte sie zu ihrer Mutter, aber die bereitete sich ja auf die Lesung vor.
    „Ich geh mit Hannah nach Hause, Mama. Wir sehen uns später“, erklärte mein Junge, sobald er mich sah.
    „Aber … wir sind doch gerade erst angekommen. Gib sie mir! Ich gehe mit ihr vor die Tür, dann beruhigt sie sich schon

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