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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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herum und starrt vor sich hin. Seit er so schwach ist, ist er richtig pflegeleicht geworden.“ Es hörte sich zynisch an, aber es stimmte. Als Adrian noch kräftiger, die geistige Verwirrung aber schon fortgeschritten gewesen war, hatte ich mit ihm alle Hände voll zu tun gehabt. Er war schreckhaft gewesen und hatte Gegenstände oder Wesen gesehen, die nicht existierten, und oft hatte er völlig irrational gehandelt: Die Putzfrau hatte Dinge an seltsamen Orten gefunden, wie den Lauch in der Waschmaschine.
    Bernhard schüttelte den Kopf. Ich wußte, was er dachte. Alle waren der Meinung, Adrian habe mich ausgenutzt, aber das stimmte nicht. Während mich alle immer nur verlassen hatten, war Adrian der einzige, der geblieben war. Deshalb pflegte ich ihn jetzt, wo er niemand anderen mehr hatte.
    „Und wie kommst du zurecht?“ fragte er.
    „Unkraut verdirbt nicht. Wir haben ein wunderbares Leben und genießen die Zeit, die wir zusammen haben.“
    Wieder dieser Blick. Merkte denn keiner, wie sie mich damit verletzten?
    Ich hörte einen Schlag. Das Geräusch kam aus dem Schlafzimmer. Ich sprang auf und eilte hinüber. Adrian war aus dem Bett gefallen. Er saß auf dem Boden und schüttelte den Kopf. „Madonna! Was machst du für Sachen? Adriano!“
    Bevor ich mich bücken konnte, war Bernhard schon zur Stelle, nahm Adrian in die Arme und setzte ihn aufs Bett. „Na, gut geschlafen?“ fragte er.
    Mein Geliebter plapperte etwas Unverständliches, schüttelte noch einmal den Kopf und schlug sich dann mit dem Handballen gegen die linke Schläfe. „Verhaltensoriginell“ nennen sie das. Verhaltensoriginell. Was für ein böses, menschenverachtendes Wort.
    „Caro. Schau, wer da ist“, sagte ich. „Bernardo ist gekommen, damit wir dich baden können. Steh auf, Adriano! Komm mit ins Bad!“
    Bernhard ging und ließ Wasser in die Wanne laufen. Ich nahm Adrians dürren Arm und legte ihn mir um die Schultern, hob ihn so auf die Beine. Er war so leicht geworden, jede Woche verlor er drei Pfund. Bernhard kam wieder und nahm ihn von der anderen Seite; Adrian gab ihm einen Kuß auf die Wange und schaute ihn verliebt an. Bernhard legte ihm seine Stirn an die Schläfe und hielt einen Moment inne. Meine Augen brannten.
    Wir setzten Adrian auf die Toilette, und ich stellte mich neben ihn, damit er sich an mich anlehnen konnte.
    „Was denkst du?“ fragte ich Bernhard, der sich auf den Rand der Badewanne gesetzt hatte und meinen Geliebten anstarrte.
    Er zögerte einen Moment. „Es ist viel schlimmer geworden. Letzte Woche konnte er noch antworten.“
    Ich schaute auf meinen Adrian hinunter und streichelte ihm über das kurze, hellgraue Haar. Sein Nacken wurde immer dicker, sein Bauch wuchs und seine Arme und Beine magerten ab; der Fettumbau, hervorgerufen durch die Medikamente, war voll im Gange. „Aber nein, Bernhard. Das bildest du dir bloß ein. Es geht ihm famos, meinem kleinen Mandelplätzchen.“
    Ich wartete auf das Plätschern, aber es kam nicht. Ohne daß Adrian Wasser gelassen hatte, setzte ich ihn nicht in die Wanne, denn spätestens dann würde es passieren.
    „Was wirst du die nächsten Tage mit deiner Mutter anstellen?“ fragte ich, um Bernhard abzulenken.
    Er überlegte kurz: „Zuerst werde ich mich ertränken. Dann steige ich auf den Alten Peter und springe runter, und zu guter Letzt laß ich mich von einer U-Bahn überfahren.“
    Ich schmunzelte. „Klingt nach vollem Programm“, sagte ich und war froh, daß er es nun mit etwas Humor nahm. „Ich werde zusehen, daß ich Montag noch mal vorbeikomme. Für morgen habe ich keinen Helfer bekommen.“
    „Warum willst du dir das antun, Raimondo?“
    „Bernardino. Deine Mutter ist eine sehr sympathische Frau. Ich freue mich darauf, sie wiederzusehen.“
    „Ich wußte, daß du verrückt bist, Raimondo. Jetzt muß ich befürchten, daß du zudem noch pervers bist.“
    Adrian pinkelte endlich. „Ja, amore. So ist es gut“, sagte ich und strich ihm noch einmal über den Kopf. „Mach Pipi, caro. Mach Pipi.“
    Bernhard griff ihm unter die Arme, ich nahm seine Beine, dann hoben wir ihn über den Rand in die Wanne. Sobald seine Hände das Wasser berührten, prustete er, als würde er gleich ertrinken, dabei war sie nur zur Hälfte gefüllt. Dann begann er herumzuplantschen.
    „Wasser, Wasser“, gurgelte er. „Schön.“ Er zappelte mit seinen dürren Beinen herum, sie knickten ein, und er rutschte auf den Boden der Wanne.
    Es bestand zwar keine Gefahr, dennoch

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