Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Arzt?“ fragte Hannah.
„Aber nein“, antwortete Edvard. Er ging in die Hocke und erklärte. „Das sagt man nur so. Sie hat viel schreiben müssen, verstehst du?“ Dann nahm er sie auf den Arm und setzte sich mit ihr an den Tisch.
„Ich habe Divja ein Buch gekauft“, sagte ich und hängte meinen Mantel an die Garderobe. „Es wird ihr gefallen. So eine schöne Geschichte.“
Bernhard schaute mich fragend an.
„Ich fand sie so einfühlsam beschrieben“, sagte ich, zupfte meinen Pullover zurecht und setzte mich Edvard gegenüber. „Ich mußte sofort an Theo denken und daran, wie es mir in unserer Beziehung gegangen ist.“
„Wer ist Theo?“ fragte die Kleine.
„Das war Bernis Papa, Hannah.“ Edvard streichelte ihr über den Kopf. „Ein paar Hausfrauen haben sogar geweint“, sagte er zu meinem Sohn, um unsere Aussage bezüglich der Lesung zu bekräftigen. Bernhard schüttelte den Kopf.
„Wer hat geweint?“ fragte Hannah.
„Schatz, laß uns bitte einen Moment mit Berni reden“, sagte Edvard. „Ich verspreche, daß ich gleich mit dir spiele. Einverstanden?“
Hannah zog eine Schnute und rutschte von seinem Schoß herunter. Ich sah Edvard an, daß er sich zwingen mußte, sie gehen zu lassen. Die Kleine trottete beleidigt ins Arbeitszimmer; er schaute ihr den ganzen Weg hinterher.
„Ich frage mich schon die ganze Zeit, was für eine Person diese Rothild Schön wohl sein mag“, sagte ich. „Sie muß sehr einfühlsam und verschlossen sein, bestimmt ein Mensch, an den man nicht so leicht herankommt.“
„Aber Mama. Dieses alberne Geschichtchen hat doch keine Frau geschrieben“, erklärte mein Sohn. „Es stammt von Max.“
„Ach. Das erstaunt mich jetzt aber. Wie kann sich ein Mann so gut in eine Frau hineinfühlen?“
„Es wird die Öffentlichkeit noch mehr erstaunen, wenn sie erfährt, daß Max … na ja, du weißt schon, noch nie mit einer Frau …“, sagte Bernhard.
„Max ist schwul“, sagte Edvard.
Ich zuckte zusammen. Was für ein unappetitliches Wort.
„Zudem ein Sexmonster, das noch nie eine Beziehung gehabt hat“, fügte Bernhard an, und ich wunderte mich, solche Worte aus seinem Munde zu hören. Aber das war ein Thema, das mich nichts anging, daher fragte ich, was mich nun brennend interessierte: „Warum hat er dann nicht selbst gelesen?“
„Der Verlag wollte das Buch lieber unter einem Pseudonym veröffentlichen, weil man den Namen von Max mit … anderen Büchern in Verbindung bringt“, sagte Bernhard.
„Ja? Kann ich denn noch mehr von ihm lesen?“
„Ich glaube nicht, daß du das möchtest“, sagte er.
„Warum nicht?“
„Es sind Pornos, Frau Moll. Knallharte Männerpornos“, antwortete Edvard und griente. Dann stand er auf und folgte Hannah.
Bernhard *
„Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie es Adrian geht“, sagte Edvard, während er sich eine Krawatte umband. Es war schon nach halb zehn, und er spät dran. Ich glaubte, er wollte gar nicht mehr in sein Geschäft.
„Schlecht. Er kann nicht mal mehr die einfachsten Fragen beantworten.“ Ich lehnte neben dem Wandspiegel, vor dem Edvard stand, und fuhr mir durchs Haar.
„Und wie packt Raimondo das?“
„Mit Hirngespinsten. Er finanziert jetzt eine Kur, um dem Fettumbau entgegenzuwirken, den die Medikamente verursachen.“
„Das ist doch gut.“
„Edvard. Das sind wieder zehntausend Mark, die er aus seiner eigenen Tasche bezahlt.“
Edvard zupfte den Schlips zurecht und strich sich mit feuchtem Finger über die Augenbrauen. „Das würde ich für dich auch tun.“
Ich legte Edvard die Hand um den Nacken und zog ihn an mich heran, umarmte ihn und gab ihm einen Kuß. Er lächelte, schaute wieder in den Spiegel und bürstete sich imaginäre Flusen vom Anzug. Er mochte es nicht, wenn ich ihn in den Arm nahm, nachdem er sich schon für das Geschäft fertiggemacht hatte.
„Er will mit ihm nach Italien fahren und Adrian seiner Familie vorstellen“, erklärte ich weiter, weil ich glaubte, Edvard hatte das Ausmaß von Raimondos Illusionen noch nicht verstanden. „Er hat jeglichen Sinn für die Realität verloren: Er will einfach nicht wahrhaben, daß Adrian nicht mehr lange leben wird.“
Edvard legte mir die Hand auf die Brust, weil er wußte, wie sehr mich das beschäftigte. „Meinst du, es wäre besser, er würde jetzt schon heulen?“
„Nein, natürlich nicht. Ich habe einfach nur Angst, daß Raimondo durchdreht, wenn Adrian … was passiert.“
„Das können wir nicht
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