Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
gehört?“ fragte er und hob meine Klamotten auf, faltete meine Hose, warf Unterwäsche und Hemd in den Wäschekorb – ein weiteres Ritual in unserer Beziehung: Als ich bei ihm einzog, versuchte ich mich an seine Art der Dinge zu gewöhnen, aber egal wie ich es machte, es war nie richtig. Inzwischen ließ ich ihn alles tun.
„Ich hab ihn heute angerufen“, sagte ich mit einem mißbilligenden Blick auf das, was Edvard gerade tat. „Er meldet sich ja überhaupt nicht mehr.“
„Und?“ Edvard hängte die frischgebügelten Hemden in den Schrank, die die Putzfrau immer an der Anzugstange hängen ließ. Edvard konnte sich einfach nicht stillhalten.
„Er ist … ich weiß nicht, er hört sich an, wie einer, der nicht ganz hier ist. Verstehst du, was ich meine?“
„Hast du eigentlich die Anzüge aus der Reinigung geholt?“ Und das war er auch: Edvard konnte das Thema wechseln, egal, wie wichtig es gerade war. Wenn ihm etwas in den Kopf schoß, mußte es raus.
„Mist!“ Und auch das gehörte zu ihm: Edvard regierte den Haushalt mit fester Hand. Die Pläne kommen von ihm, ich nehme die Aufträge entgegen und führe sie aus – na ja, meistens.
„Professor?“ Seine Stimme schlug eine Schleife der Drohung.
„Schatz?“ Es war Zeit für ein Ablenkungsmanöver. „Sollen wir im Sommer mal wieder wegfahren?“
Er schaute mich entgeistert an. „Da müssen wir erst mal Kim fragen.“
„Edvard. Das kann doch nicht sein, daß wir unser Leben um Kim herum planen müssen.“
„Das tun wir auch nicht. Wir planen es um Hannah herum.“
„Komm her“, sagte ich und lockte ihn mit dem Finger.
„Okay, laß uns wegfahren.“ Er setzte sich aufs Bett. „Wie wär’s mit … Tegernsee?“
„Alberner Tropf.“ Ich gab ihm einen Klaps.
„Wo willst du denn hin?“
„Kanada vielleicht, oder Vietnam.“
„Waren wir da nicht erst letztes Jahr?“ Er grinste mich an.
„Edvard, verarsch mich nicht. Wenn du nicht wegfahren willst, dann sag es.“
„Okay, okay. Wir fahren. Sag mir nur wann, damit ich das im Geschäft organisieren kann.“
„Wenn wir nach Kanada fliegen, sollten wir gleich am Anfang der Schulferien losdüsen, also Ende Juli.“
„Kriegen wir überhaupt noch Flüge? Es ist schon Anfang April.“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Kannst du das morgen abchecken?“
„Wird gemacht, Sir.“ Ich raufte ihm die Haare. „Aber jetzt geh ich schlafen“, sagte ich und schaltete die Nachttischlampe aus.
„Was?“ Edvard hüpfte aufs Bett und setzte sich auf mich. „Kein Sex mehr?“
„Auf Kommando? Nein, danke.“
Er riß mir die Bettdecke weg und stürzte sich auf mich.
„Edvard! Bitte laß mich schlafen! Ich bin echt fertig.“
Mit einem Schlag verebbte seine hündchenhafte Erregung. Er gab mir einen Kuß. „Schlaf gut“, sagte er, „dann mach ich noch die Küche“, und ging. Und ich ließ ihn gehen, ja, ich war sogar froh, daß er ging.
Ich hatte gelernt, die Katastrophen und Dramen in Edvards Leben zu relativieren. Da ihnen etwas Übertriebenes anhaftete, sie zum Teil irreale Züge annahmen und sie zudem einer extremen Wechselhaftigkeit unterlagen, zweifelte ich an ihnen und wartete ab, wie sich die Dinge tatsächlich entwickelten, anstatt Edvard einfach nur alles zu glauben.
Ähnliches passierte mit seinen Liebesbezeugungen. Keineswegs zweifelte ich an seinen Gefühlen für mich, aber eigenartigerweise sprach er sie meist in Momenten aus, in denen ich eher das Gefühl hatte, daß er das Gegenteil meinte.
Ich war glücklich mit Edvard. Wir waren zwar sehr unterschiedlich, aber allen Prophezeiungen von Freunden und Horoskopen zum Trotz, selbst trotz meiner eigenen Erwartungen war unser Zusammenleben relativ harmonisch. Nachdem ich die ersten Jahre nach meinem Coming-out Sex nur in den Videosälen von Sexshops und Pornokinos ausgelebt hatte, war es berauschend, neben jemandem einzuschlafen und am nächsten Morgen neben ihm wach zu werden. Es war schön, Sex mit einem Menschen zu haben, den man kannte und der einen auch dann noch anfassen wollte, nachdem der Sex vorbei war. Und nicht nur das: Edvard hatte die Beziehung mit mir gewollt, er hatte sich darum bemüht, er war die treibende Kraft gewesen, daß wir zusammenzogen, ja daß wir sogar eine Trauung vollzogen.
Mir war es genug, Edvard zu haben, es war mir genug, seine Nähe zu spüren, es war mir genug, zu wissen, daß wir zusammengehörten. Aber ihm war nie etwas genug. Stets suchte er Veränderungen, das Neue, das ihn mehr
Weitere Kostenlose Bücher