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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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Freund zu trauern. Aber Bernhard hielt von diesen Dingen nichts.
    „Könnte ich noch eine Tasse Tee haben?“ fragte ich, die Atmosphäre war schwer geworden.
    „Aber ja“, antwortete Divja und sprang auf, um die Kanne zu holen.
    „Berni, schneidest du mir noch ein Stück Kuchen ab?“ bat ich. Er schaute mich finster an, schnitt ein Stück ab und jonglierte es auf meinen Teller. Seine Mutter hielt sich immer noch am Taschentuch fest.
    Um abzulenken, fragte ich Divja nach der Kette, die sie um den Hals trug.
    „Nein. Die ist nicht von Sai Baba“, antwortete sie. „Er hält nichts von Uniformen und dergleichen. Die Kette und meinen Namen habe ich von einem Lehrer, dem ich viel verdanke. Aber es ist interessant, daß Sie Sai Baba ansprechen. Hat Lydia Ihnen schon erzählt?“
    „Nein, was?“ fragte ich, und Berni verdrehte die Augen. Wenn es um esoterische Dinge ging, konnte er sich wie ein Arsch gebärden.
    „Na, daß ich nach Anantapur fahre, um in seinem Ashram das Guru Purnima-Festival zu feiern.“
    „Ach, toll!“ sagte ich. „Ich wollte da schon längst mal hinfahren und erleben, wie er aus dem Nichts Asche manifestiert. Erst kürzlich hab ich mir auf seiner Internetseite angeschaut, wie er eine Art Kugel aus seiner Kehle herauswürgt, die da vorher nicht war; sehr elementar, wirklich sehr elementar.“ Divja nickte. „Aber Berni ist nicht dazu zu überreden. Und jetzt, wo Hannah so oft bei uns ist … Ich komme keine vier Wochen weg. Nicht jetzt. Bald vielleicht, aber nicht jetzt.“ Ich wußte, daß Berni neben mir Grimassen schnitt, deshalb vermied ich es, ihn anzusehen.
    „Was machen Sie eigentlich beruflich“, fragte Divja.
    „Ich? Ich verkaufe Antiquitäten.“
    „Welche Art?“
    „Biedermeier hauptsächlich, ein bißchen Louis-quatorze und Empire, aber hauptsächlich Biedermeier. Lange Zeit wollte ich lieber tibetische Kunst verkaufen, aber inzwischen weiß ich, daß das meiste, was auf dem Markt angeboten wird, entweder nachgemacht ist oder aus den Klöstern gestohlen wurde. Und auf dieses Karma kann ich verzichten.“
    Sie nickte. „Die armen Menschen, die das kaufen. Sie glauben, sich etwas Gutes zu tun, und belasten damit ihre Seele.“
    „Inzwischen habe ich gar keine Lust mehr auf Verkaufen. Es gibt wirklich sinnvollere Dinge zu tun, als sich mit altem, verstaubtem Krempel herumzuschlagen. Verstehen Sie, was ich meine?“
    Sie nickte wieder dieses bescheidene, sanfte Nicken. Eine bemerkenswerte Frau. Bernhard warf mir einen skeptischen Blick zu.
    „So“, warf Mutter Lydia ein. „Wir sollten an den Aufbruch denken. Bernhard, mein Junge, willst du deinem Freund nicht das Haus zeigen?“
    Berni schaute mich an. Sein Blick war nicht besonders einladend, aber ich zögerte keine Sekunde. „Gute Idee. Zeig mir doch mal dein Jugendzimmer.“
    Dann schaute er seine Mutter an, diesmal war sein Blick sehr fragend.
    „Geh! Ich bleibe hier und mache mich derweil fertig, damit ihr nachher nicht auf mich warten müßt. Mir sind die Treppen sowieso zu anstrengend.“
    Ich stand auf und stellte das Geschirr zusammen.
    „Aber, ich bitte Sie. Das mach ich schon“, sagte Divja.
    So nahm ich nur Bernis und meinen Teller und trug sie hinaus in die Küche. „Komm!“ sagte ich, sobald ich zurück war, dann stemmte sich auch mein Mann aus seinem Stuhl und zeigte mir, wo er aufgewachsen war.

Lydia *
     
    Bernhard nahm meine Koffer und Edvard den Rollstuhl. Mein Junge erschrak, als er erfuhr, daß ich inzwischen keine längeren Strecken mehr gehen konnte. Bei meinem Besuch im Januar hatte ich mich bemüht, es zu verbergen, aber meine Beine schafften es schon lange nicht mehr, lange Strecken zu gehen; Divja schob mich seit fast einem Jahr täglich eine Stunde mit dem Rollstuhl durch den Park.
    „Hast du alles, Mama?“
    „Ja, mein Junge. Was soll ich schon brauchen?“
    Sie gingen hinaus, um das Gepäck zu verstauen.
    „Tschüs, Divja, meine Liebe.“
    Sie umarmte mich und küßte meine Stirn. „Gute Reise. Und paß gut auf dich auf“, sagte sie, dann verneigte sie sich mit geschlossenen Augen vor mir und hob die gefalteten Hände über ihren Kopf.
    Ich schaute zur Tür, ob die Buben außer Hörweite waren, dann flüsterte ich: „Denkst du an meinen Brief?“
    „Ich habe ihn schon eingepackt“, antwortete sie ebenso leise, „und ich verspreche dir, daß ich ihn dem Bhagavam Sri Sathya Sai Baba persönlich in die Hand drücken werde, wenn er mich zu sich läßt. Ansonsten, glaub mir, es

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