Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
erzählen, wenn sie mich nach meinem ersten Mal fragt. Die Wahrheit würde niemand jemals erfahren, das hatte ich Ed und B versprochen.
Edvard *
Wir rauschten an Bäumen und Büschen vorüber. Es kam mir so vor, als wäre der Kühler ein großes Maul und fräße die Straße in sich hinein. Wir fuhren selten mit einem Wagen irgendwo hin, einfach weil wir keinen besaßen, aber wenn, dann genoß ich es richtig. Bernhard behauptete immer, daß er nicht gerne fuhr. Am Ende war es immer er, der am Steuer saß und uns in Lichtgeschwindigkeit ans Ziel brachte. Meist versank er dabei tief in Gedanken.
„Meinst du, es war richtig, mit Malvyn zu schlafen?“ fragte ich.
„Es war nicht nur richtig, es war sogar wichtig! Ich gehe soweit zu sagen, daß wir dazu verpflichtet waren, damit er weiß, wie Safer-Sex funktioniert.“ Bernhard drückte das Pedal durch, die Automatik schaltete herunter, und ich fühlte mich in den Sitz gepreßt.
Ich schaute ihn an. Mein Mann und ich, wir hatten zum ersten Mal Sex mit einem anderen Mann gehabt. Und Berni hatte immer behauptet, daß das für ihn nie in Frage kommen würde. Ich wußte, daß er früher oder später erkennen würde, daß diese Vereinbarung blanker Unsinn war. Jetzt saß er neben mir und glühte still vor sich hin; das Feuer des Abenteuers war in ihm entfacht, die Glut des Neuen, Aufregenden schwelte.
Es lag mir auf der Zunge das anzusprechen, aber ich zögerte. Die Erfahrung war sehr frisch, sehr neu; Worte konnten zerstören. Zudem befürchtete ich, darüber zu reden würde aus dieser Mücke – und für mich war Sex nie mehr als das – einen Elefanten machen.
„Meinst du, Malvyn wird sich in London zurechtfinden?“ fragte Bernhard und unterbrach meine Gedanken.
„Ich denke schon. Aber ich komme mir ein bißchen vor wie die Bundesregierung. Wir haben ihn einfach abgeschoben.“
„Ach, Ed. Das stimmt doch gar nicht. So sieht er ein bißchen was von der Welt, und zum CSD ist er wieder da. Ich mach mir mehr Sorgen darum, was wir mit meiner Mutter solange anstellen sollen.“
„Na ja, ich würde sagen, daß wir sobald wie möglich Birgit einladen. Die beiden sind eine Altersgruppe, dann hat sie schon mal eine Bezugsperson.“
Ein zweifelnder Blick von meinem Mann. Meinem Orakel Birgit trat er immer noch mit Skepsis gegenüber, nur weil sie sich mit Wissenschaften beschäftigte, mit denen er sich partout nicht auseinandersetzen wollte: Astrologie, Kartenlegen, Reiki. Aber ohne Birgit gäbe es unsere Beziehung nicht; diese Tatsache läßt er allzu gern außer acht. Wie oft hatte ich schon bei ihr gesessen und mich beraten lassen. Sie war es, die mir immer wieder erklärte, warum die Dinge in unserer Beziehung so verliefen, und mir dadurch geholfen hat, damit klarzukommen.
„Ich könnte Ruth zum Essen einladen“, sagte er, sie war seine Arbeitskollegin, mit ihr hatte er studiert. „Sie kennt meine Mutter noch von früher.“
„Und wie wär’s mit Raimondo?“
„Den sowieso. Ich glaube, die beiden verstehen sich ausgezeichnet. Und ihm würde es gut tun. Allerdings …“
„Was?“
„Adrian!“
„Was ist mit ihm?“ fragte ich.
„Meine Mutter war noch nie mit Aids konfrontiert.“
„Als deine Mutter Krebs gekriegt hat, habt ihr euch auch damit auseinandersetzen müssen. Sie wird wohl Verständnis für einen aidskranken Konditormeister aufbringen.“
Er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, keine Ahnung, was er damit sagen wollte, so setzte ich vorsichtshalber nach: „Und wenn nicht, dann würde sie es eben lernen.“ Dann lenkte ich ab: „Steht sie eigentlich auf Schlager?“
„Du willst sie doch nicht zu Patrick und Michael schleppen?“
„Wieso? Grünwald ist schön. Und einen schwulen Schlagersänger mit einem süßen Adoptivsöhnchen, das würde ihr bestimmt gefallen.“
„Manchmal kommt es mir vor, als wolltest du mit deinen Freunden angeben, mein Schatz.“
„So ein Unsinn!“
Heidelberg. Als Bernhard das Schild sah, wechselte er in die Abbiegespur, bremste den Wagen herunter und setzte dann den Blinker. Wir schlängelten uns durch die Stadt, am Neckar entlang, die Bergstraße hinauf.
Er stellte den Wagen ab und sagte: „Keinen schwulen Kram, bitte, ja? Und ich will auch nicht, daß sie von unserer Hochzeitsfeier erfährt.“ Dann zog er den Ring vom Finger und wartete, bis ich auch meinen verschwinden ließ.
„O Mann, wie oft sagst du das noch?“
„Ich wollte dich nur daran erinnern.“
„Meinst du, ich leide an
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