Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)
vergriffen, und meist bekommen sie jene, die schnell genug zuschnappen, obwohl sie sie gar nicht verdient haben. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, sei nicht dumm. Ein Mann mag vielleicht vom Studium ablenken, aber die Liebe kann dich auch beflügeln, wenn sie echt und tief ist. Diesen Energieschub solltest du dir auf keinen Fall verweigern. Und wenn’s in die Hose geht, kannst du immer noch einen guten Roman draus machen.«
Anna lächelte Frau Hallmann zu und half ihr dann, in das Taxi zu steigen. Winkend blieb sie auf dem Gehsteig zurück und bemerkte, dass die ersten Flocken auf ihr Gesicht fielen.
Verzaubert blickte sie zu dem grauen Himmel auf. Schnee rieselte herab. Ganz leise schwebten die feinen Kristalle auf ihre Haut und vergingen dort.
Doch dann wurde der Zauber der Stille jäh zerstört durch das Losplärren eines Weihnachtsliedes. Der Weihnachtsmarkt war eröffnet worden! Schon zog der Geruch nach Glühwein durch die Straßen, und Anna war froh, als sie die Straßenbahn gerade noch rechtzeitig erreichte, die sie zum Bahnhof bringen würde.
5. KAPITEL
A uch auf dem Bahnhof entging Anna der Weihnachtsstimmung nicht. Großflächige Werbeplakate vermittelten den Leuten die unterschwellige Drohung, sich ja nicht ohne Geschenke bei ihren Verwandten blicken zu lassen – und wenn das Mitbringsel ein Parfüm war oder Dessous.
Doch hier gab es weder Glühweinduft noch Musik. Stattdessen schwirrten Durchsagen durch die Hallen. Zug soundso fährt ein, die Reisenden nach soundso bitte einsteigen. Vorsicht an der Bahnsteigkante.
Anna machte sich nicht die Mühe, das Wortgewirr zu entziffern, ihr Blick wanderte auf die Anzeigetafel. Die S-Bahn nach Halle ging in zehn Minuten.
Anna hatte sich sehr über Paulas Vorschlag, sie zu besuchen, gefreut. In ihrem Wohnzimmer zu sitzen, mit ihr Tee zu schlürfen und zu reden würde ihre Batterien hoffentlich genug aufladen, um die folgenden Tage zu ertragen.
Auf dem Bahnsteig ertappte sie sich dabei, wie sie begann, die jungen Männer, die ebenfalls warteten, abzuchecken. Kopfschüttelnd richtete sie den Blick wieder nach vorn. Davon abgesehen, dass es hier auf den ersten Blick nichts gab, was sie interessiert hätte, sagte sie sich, dass es nichts brachte, sich jetzt auf eine Beziehung einzulassen. Sie wollte nicht so sein wie einige ihrer Kommilitonen, die kurz vor Weihnachten auf die Idee kamen, sich praktisch last minute eine Beziehung zu suchen, um an Weihnachten nur ja nicht allein zu sein. Wie diese Liebeleien endeten, hatte sie schon oft beobachten können. Nach Weihnachten ging man getrennte Wege und versuchte, einander bis zum Ende des Semesters zu ignorieren.
Als die S-Bahn quietschend heranrauschte, schloss Anna einen Moment die Augen und genoss den Windzug. Dann öffneten sich zischend die Türen vor ihr, und sie stieg beschwingt ein.
Genau sechsunddreißig Minuten später fuhr der Zug im Hauptbahnhof Halle ein.
Wie sie aus den Berichten ihrer Freundin wusste, herrschte auch in der Händelstadt Weihnachtsstimmung mit allem Drum und Dran. Doch Paula wohnte in einem Neubaublock am Stadtrand, dafür interessierten sich Touristen nur wenig, sie fuhren für ihren Weihnachtskick in die wunderschöne Innenstadt mit dem Roten Turm, dem Händeldenkmal und der Marktkirche, vor der es um diese Zeit auch einen großen Weihnachtsmarkt gab.
Völlig außer Atem klingelte Anna schließlich an der Tür ihrer Freundin.
»Anna! Schön, dass du da bist!« Paula fiel ihr mit einem breiten Lächeln um den Hals und drückte sie fest an sich. Ihrem krausen schwarzen Haar entströmte ein leichter Duft nach Apfelshampoo, was Anna irgendwie das Gefühl gab, wieder dreizehn zu sein und vor ihrem ersten Disco-Besuch zu stehen.
Seit der vierten Klasse waren Paula und sie praktisch unzertrennlich. Und wenn etwas zu ihrer Freundin gehörte, dann der Duft nach Apfel. Sie verließ das Haus nie, ohne Äpfel in der Tasche zu haben. Ihr Haar duftete nach Apfel, ihr Parfüm auch. Selbst ihren Klostein kaufte sie immer mit Apfelduft.
Und natürlich strömte auch der Duft nach Apfelkuchen aus ihrer Wohnung.
»Hi, Paula, vielen Dank, dass ich kommen durfte!«
»Machst du Witze?«, fragte Paula, während sie sie durch die Tür schob. »Ich bin froh, dass ich dich noch einmal sehe, bevor unsere Familienmonster uns über die Feiertage in ihren Wohnungen einschließen und uns mästen, bis wir bereit sind, wie Hänsel und Gretel in den Lebkuchenofen geschoben zu werden.«
Anna wusste nicht,
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