Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)
oberen Ende des Sackes etwas hervorquoll. Roter und weißer Plüsch. Augenblicklich war ihr klar, dass dies keine normale Winterjacke war. Es sei denn, Marko war verrückter, als er aussah.
»Sag mal, ist das in deinem Seesack ein Weihnachtsmannkostüm?«, fragte sie, während sie augenblicklich vergaß, warum sie eigentlich an ihren Koffer wollte.
Marko lächelte. »Ja, ist es. Das ist das Kostüm, das ich morgen anziehen werde, um meine kleinen Nichten zu bescheren. Außerdem habe ich auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt als Weihnachtsmann gejobbt.«
»Verkleidest du dich denn sonst auch?«
»Ja klar, bei Werbeaktionen! Ich war schon eine Eistüte, als in Rostock eine neue Eisdiele eröffnet hat, eine große 9 bei der Eröffnung eines 99 -Cent-Marktes, und mein karrieretechnischer Höhepunkt bisher war die Darstellung einer Stoffbanane als Werbeaktion eines Freizeitparks. Dort wurde ein neues Bananenboot in Betrieb genommen, du ahnst ja nicht, was die für einen Zulauf hatten.«
Die Vorstellung, ihn als Banane auf Beinen herumlaufen und irgendwelche Werbeparolen rufen zu hören, brachte Anna zum Lachen.
»Ja, ich fand das auch witzig. Aber du glaubst nicht, wie gut das bezahlt wird. Und wenn du in so einem Ganzkörperanzug steckst, erkennen dich die Leute nicht. Der einzige Nachteil ist, dass manche ständig versuchen, einen zu knuddeln, aber daran gewöhnt man sich nach einer Zeit.«
»Nun, wenn das so ist, werde ich mal schauen, ob es in Leipzig auch irgendwelche Jobs in der Richtung gibt. Als Messemännchen vielleicht.«
»He, dafür habe ich mich in den Semesterferien beworben!«
Anna zog die Augenbrauen hoch.
»Nee, keine Bange, ich mach nur Spaß. Nächstes Jahr werde ich mein Studium beenden und hoffentlich auf dem Wasser sein.«
»Ich werde dir winken, wenn ich auf einem Bananenboot an dir vorbeischippere.«
Kaum hatte sie das gesagt, begann der Motor des Fords plötzlich zu stottern.
Anna sog erschrocken die Luft durch die Zähne. Die alte Kiste wollte doch wohl nicht liegenbleiben!
Anscheinend doch, womit ihre Fluch- und Bestrafungstheorie wahr wurde. Und Weihnachten schien sich jetzt warmgelaufen zu haben, denn die Bestrafungen kamen in schnellerer Abfolge.
»Was ist los?«, fragte sie, während sie zu Marko blickte, der nun immerhin sein Interesse für ihren Gemütszustand verloren hatte.
»Blöde Kiste«, murrte er alles andere als souverän und schlug auf das Lenkrad. Anna fragte sich unwillkürlich, ob er das auch tun würde, wenn er Kapitän eines Schiffes war, das nicht so spurte, wie er wollte. »Das macht sie in letzter Zeit andauernd.«
»Wann denn das letzte Mal?«, fragte Anna, die nicht glauben wollte, dass ihr das Schicksal ausgerechnet einen rettenden Engel mit einer Schrottkarre geschickt hatte. Wahrscheinlich hätte sie damit rechnen sollen, dass das Abenteuer noch nicht vorbei war …
»Vor einer Woche. Mein Kumpel hat ein bisschen dran rumgebastelt und meinte, es sei wieder in Ordnung. Aber wie man sieht, ist es das nicht.«
Anna erschrak, als sie von einem wütend hupenden Mercedes überholt wurden. Glaubte der Kerl denn wirklich, sie würden absichtlich langsamer werden, nur um ihn davon abzuhalten, rechtzeitig bei Frau und Kindern anzukommen?
Obwohl Marko das Gaspedal wie ein Verrückter durchtrat, verlor das Fahrzeug immer mehr an Geschwindigkeit. Der Motor heulte protestierend, als wollte er sagen, dass auch er keine Schuld an dem Dilemma hätte. Was ließ Marko auch irgendeinen Kumpel an ihm herumbasteln?
Schließlich gab er seinen Geist mit einem Blubbern und einem markerschütternden Knall ganz auf. Weitere Fahrer hupten, aber darauf achtete Marko nicht. Er versuchte stattdessen, das Fahrzeug auf den Standstreifen zu bekommen, bevor es ganz stehenblieb.
Tatsächlich schaffte er es, bremste dann ab und drehte am Zündschlüssel herum.
»Der Sprit ist dir nicht zufällig ausgegangen?«, fragte Anna zweifelnd.
Marko schüttelte den Kopf. »Nein, ist er nicht. Das ist irgendwas mit den Zündkerzen. Blöd, dass es gerade jetzt passiert.«
»Ja, richtig blöd. Kriegst du es denn wieder hin?«
»Keine Ahnung. Ich bin kein Automechaniker, weißt du? Notfalls muss ich Hilfe holen.«
Das klang ein bisschen so, als wollte er aussteigen und irgendwen anhalten – doch so wahnsinnig, das auf einer Autobahn zu versuchen, war er dann doch nicht.
»Da hinten ist eine Raststätte«, sagte er und deutete auf das gut einen Kilometer entfernte Leuchten. »Halt dich auf dem
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