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Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)

Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)

Titel: Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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geboren am 3 . April 1932 ?‹
    Ich nickte.
    ›Ich habe dir zum Abschied ein Holzpferd geschenkt, weißt du das noch?‹
    Und ob ich das wusste.
    Auf mein Nicken zog er mich ungestüm in die Arme, ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Aber mein Herz sagte mir, dass ich, die eigentlich nur ein wenig Mohn für die Klöße holen wollte, meinen Vater gefunden hatte.
    ›Wo wohnt ihr jetzt?‹, fragte er, und ich nannte ihm die Adresse, die eigentlich keine richtige war, denn die Keller hatten keine Nummerierung.
    ›Und warum bist du nicht zu Hause?‹
    ›Weil ich Mohn von Tante Hilde holen muss.‹
    ›Hilde Brockmann?‹
    Mein Vater erinnerte sich an Mamas Freundin. Das war gut.
    ›Ich begleite dich dorthin‹, bot er sich an und reichte mir die Hand.
    Ich schüttelte den Kopf. Ich war doch kein Kleinkind mehr!
    Mein Vater schloss sich mir also an, und gemeinsam gingen wir durch die Stadt.
    Natürlich zweifelte ich zwischendurch kräftig. Der Mann konnte das, was er mir erzählt und mich gefragt hatte, von meinem Vater erfahren haben.
    Wieder und wieder musterte ich ihn. Suchte nach Ähnlichkeiten mit dem Bild, das meine Mutter auf ihrem Nachtschränkchen hatte. Und tatsächlich fand ich auch einige Dinge. Die Wölbung seiner Augenbrauen, seine markante Nase … Und auch die Augen ähnelten dem Porträt, aber nur in der Form. Etwas hatte die Freude aus ihnen herausgesogen. Und dasselbe Etwas hatte auch seine tränenüberströmten Wangen hohl gemacht, seine Haut fest über seinen Schädel gespannt und sein Haar ergrauen lassen.
    Aber dennoch, was, wenn er es nicht war? Wenn ein Doppelgänger versuchte, sich in unsere Familie einzuschleichen?
    Das Haus von Tante Hilde hatte beim vergangenen Angriff ebenfalls etwas abbekommen, stand aber noch fest genug, dass man darin wohnen konnte. Der lange Riss im Mauerwerk wirkte beunruhigend, aber Hilde pflegte zu sagen: ›Das kitten wir wieder zu, wenn’s vorbei ist.‹
    Als ich klingelte, fragte ich mich, ob sie wohl in der Lage sei, zweifelsfrei festzustellen, ob dieser Mann, der meinen Namen kannte und zu dem ich mich hingezogen fühlte, wirklich mein Vater war.
    Sie öffnete, erstarrte, zog zuerst ein mürrisches Gesicht, dann, wie von einer plötzlichen Erkenntnis getroffen, wurden ihre Augen weit.
    ›Du meine Güte!‹, rief Tante Hilde aus, dann schlug sie die Hände vor den Mund. ›Herbert! Du bist am Leben!‹
    Mein Vater nickte. Ja, jetzt hatte ich die Gewissheit, dass es mein Vater war, und ein wenig schämte ich mich, dass ich nicht auf mein Herz gehört hatte.
    Tante Hilde fiel ihm um den Hals, und ich fragte mich, ob sie sich früher schon gut leiden konnten oder ob der Krieg eventuelle Zwistigkeiten unwichtig gemacht hatte. Sie bat uns beide herein, und außer dem Mohn, den ich natürlich von ihr bekam, kratzte sie noch ein paar Kaffeevorräte zusammen und förderte ein paar Hartkekse zutage, die sie einem Armeetransport abgeluchst hatte. Fast zwei Stunden hielt sie uns fest und ließ sich von meinem Vater die ganze Geschichte erzählen. Was seit seinem scheinbaren Verschwinden geschehen und wie er schließlich desertiert und über große Umwege wieder nach Hamburg gekommen war, war in diesem Moment viel zu viel für mein junges Hirn. Während die Worte an mir vorbeiplätscherten, fragte ich mich nur, was Mama dazu sagen würde und was Papa zu seinem jüngsten Kind, meinem Bruder Richard, sagen würde, denn er war geboren worden, als er schon wieder an der Front gewesen war.
    Dementsprechend konnte ich es nicht abwarten, dass uns Tante Hilde wieder gehen ließ, zumal es draußen schon dunkel wurde und meine Mutter sich bestimmt Sorgen um mich machte.
    Als sie uns schließlich verabschiedete, glühte mein Gesicht, und mein Herz pochte vor lauter Aufregung. Ich lief mit langen Schritten voran, erfüllt von der Vorfreude auf das Gesicht meiner Mutter. Sicher würde es für sie ein Schock werden, doch gab es ein besseres Geschenk als dieses?
    Natürlich setzte meine Mutter zu einer kräftigen Standpauke an, als sie mich sah, doch dann erblickte sie den Mann hinter mir. Im Gegensatz zu mir hatte sie keine Zweifel, sie erkannte meinen Vater, das konnte ich an ihren Augen sehen. Doch wo war ihre Freude? Sie schien vielmehr erschrocken zu sein! Hatte sie wirklich geglaubt, dass er nicht mehr wiederkommen würde?
    Sekundenlang betrachteten sich die beiden. Ich hätte erwartet, dass mein Vater enttäuscht war von dem alles andere als warmherzigen Empfang

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