Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
Versuch mich aufzusetzen, lässt mich mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder ins Kissen sinken.
Eric streicht mir über die Wange.
„Bleib liegen, darlin’. Schlaf weiter. Ich wollte nur sehen, wie es dir geht.“
„Was machst du hier? Woher weißt du, dass ich hier bin“, flüstere ich, um meine Nachbarin nicht zu wecken. Eric legt seinen Kopf neben meinem aufs Kissen, damit wir nicht so laut reden müssen.
„Dein Bruder ist heute aus einer Besprechung gestürmt, weil er wegen dir einen Anruf bekommen hat, dass du mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gekommen bist. Der Rest war Detektivarbeit.“
„Stalker!“, erwidere ich mit einem gequälten Lächeln.
„Hey, ich hab mir nur Sorgen gemacht. Was ist eigentlich passiert?“
„Ich hatte einen Blinddarmdurchbruch mit anschließender Notoperation. Und wie bist du an der Nachtschwester vorbeigekommen?“
Eric spielt mit meinen Haaren. Sein Gesicht ist so nah an meinem. Wenn ich nicht Sorge hätte, dass mein Atem nach der ganzen Aktion übel riecht, würde ich ihn jetzt küssen.
„Ein bisschen Bestechung mit einem großen Starbucks Coffee und etwas von meinem Charme. War einfacher als erwartet.“
Meine Lider werden schon wieder schwer, doch ich möchte nicht einschlafen, solange er hier ist. Eric bemerkt meinen Kampf gegen den Schlaf.
„Schlaf weiter. Ich muss sowieso nach Hause. Aber ich komme morgen wieder. Kannst du mir eine SMS schicken, wenn dein Bruder weg ist. Ich habe gesehen, dass dein Handy im Nachttisch neben dir liegt.“
Ich nicke schwach und versuche erfolglos, meine Augen offen zu halten. Bevor ich wieder im Tiefschlaf versinke, spüre ich, wie Eric mir einen Kuss auf die Stirn drückt.
Die Zeit im Krankenhaus vergeht schneller als erwartet. Die Tage sind ausgefüllt mit Besuchen von Jule, meinem Bruder mit David, oder manchmal auch nur David alleine. Meine Kollegin Martina hat sogar, in Absprache mit den Eltern, die ganze Kindergartengruppe mitgebracht. Sie haben mir ein Lied gesungen, um mir gute Besserung zu wünschen. Ich muss nicht erwähnen, dass ich geheult habe wie ein Schlosshund? Nach 10 Minuten sind sie wieder abgezogen. Weniger wegen mir, sondern wegen der genervten Blicke meiner Bettnachbarin.
Am späten Abend schleicht Eric sich zu mir rein und bleibt für eine halbe Stunde. Er besticht immer noch die Nachtschwester. Seitdem ich wieder normal essen darf, bringt er auch mir eine kleine Leckerei mit. Ich genieße seine Besuche, doch ich frage mich, warum er das macht. Er kennt mich kaum und hat nach der einen Nacht, die man ja schon fast als Unfall bezeichnen kann, keinen Grund so viel Fürsorge mir gegenüber zu zeigen.
„Gehst du nicht normalerweise um diese Uhrzeit joggen“, frage ich ihn am letzten Abend vor meiner Entlassung.
Ich sitze auf meiner Bettkante und Eric steht verunsichert vor mir.
„Ich laufe zum Krankenhaus und wieder zurück. Das ist die Ausrede, damit meine Mutter keine Fragen stellt. Sie ist neugieriger, als sie es in meinem Alter noch sein sollte.“
Es scheint ihm wirklich peinlich zu sein, dass er noch mit seinen Eltern unter einem Dach wohnt, auch wenn es zwei getrennte Wohnungen sind. Ich finde es überhaupt nicht schlimm. Aber das liegt wohl daran, dass ich einfach nur froh wäre, wenn ich meine Eltern noch hätte.
Meine Bettnachbarin ist zum Glück gestern entlassen worden und bisher habe ich das Zimmer noch für mich alleine. Eric schiebt meine Knie ein Stück auseinander und stellt sich ganz nah vor mich. Er streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr und legt seine Hand auf meine Wange. Ich kann nicht anders, als mich in seine Berührung zu lehnen.
„May I kiss you?“, fragt er leise. Ich nicke nur, ohne meine Augen zu öffnen. Er nimmt mein Gesicht in seine warmen Hände und küsst zaghaft meine Unterlippe. Bevor der Kuss intensiver werden kann, lässt er auch schon wieder von mir ab. Ich seufze und öffne langsam meine Augen.
„I gotta go, pretty girl.“
„Ich weiß.“
Und schon ist er wieder verschwunden.
Enttäuscht lehne ich mich auf mein Bett zurück und überlege mir, ob Eric den Herzschmerz wert ist. Er scheint Geheimnisse zu haben. Bei manchen Dingen habe ich den Eindruck, dass er mir nur die halbe Wahrheit sagt. In der Nacht wälze ich mich schlaflos durch das verfluchte Krankenhausbett.
„Hast du alles?“ David hat mich aus dem Krankenhaus abgeholt und auf der Couch in meiner Wohnung platziert. Ich lege mich auf die Seite und er deckt mich liebevoll
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