Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
noch ziemlich frisch. Ich kann das im Moment einfach nicht.“ Ich weiß eigentlich selbst nicht, warum ich das sage. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass es vorbei ist, und ich weine dem Penner keine Träne hinterher. Nicht mehr. Von „frisch“ kann man auch nicht gerade reden, da es schon zehn Monate her ist. Auch wenn mich die ganze Situation tief verletzt hat, ihn habe ich schon längst überwunden.
Eric seufzt am anderen Ende der Leitung.
„Nina, ich bitte dich nur darum, dich näher kennenlernen zu dürfen. Nicht mehr und nicht weniger.“
„Was ist mit meinem Bruder? Er wird dir das Leben zur Hölle machen.“
„Ernsthaft? Ich bin eigentlich nicht so jemand, aber wenn dein Bruder glaubt, mir das Leben schwer machen zu müssen, werde ich ihn dezent darauf hinweisen, dass ich seine sexuelle Orientierung ungerne zum Thema machen möchte.“
Ich bin völlig schockiert. Woher weiß er das? Er ist erst seit ein paar Wochen im Team. Mein Bruder mag schwul sein, doch ist er absolut niemand, der irgendwelche Klischees bedient. Man sieht es ihm wirklich nicht an. Eric nimmt mein Schweigen wohl als Zustimmung, was für ihn vielleicht nur eine Vermutung war.
„Es ist offensichtlich. Keiner der Jungs starrt mich in der Dusche so auffällig unauffällig an, wie Thorsten. Aber keine Sorge, die anderen sind völlig ahnungslos. Keine Ahnung, wie man so blind sein kann.“
„Du kannst ihn nicht damit erpressen. Er hat so hart dafür gearbeitet.“ Meine Stimme klingt ängstlicher, als es mir lieb ist.
„Nina, Nina. Keine Panik“, versucht er mich zu beruhigen. „Das war keine Drohung. Ich will dich nur kennenlernen und ich werde mir von deinem Bruder keinen Strich durch die Rechnung machen lassen. Darf ich dich wieder anrufen?“
Ich zögere einen Augenblick, doch irgendwie kann ich es nicht ablehnen. „Ja, gerne.“
Eric gibt einen erleichterten Seufzer von sich.
„Darlin’?“ Er hat ja keine Ahnung, was er mir mit seinen Kosenamen antut.
„Ja?“
„Dein Höschen? Es war mir heute Morgen sehr hilfreich. Deine Pussy macht süchtig. Have a good night and some really sweet dreams.“
Bevor ich etwas erwidern kann, hat er die Verbindung schon getrennt. Ich starre ungläubig auf das Telefon in meiner Hand. Ist das gerade wirklich passiert?
3.
Die letzten Tage vor den Ferien sind meistens sehr ruhig im Kindergarten. Viele Eltern sind schon mit ihrem Nachwuchs in den Urlaub gefahren und die neuen Kinder kommen erst nach den Ferien. Heute sind nur 10 Kinder in unserer Gruppe, was einen sehr entspannten Vormittag verspricht. Ich bin darüber sehr dankbar, denn mir geht es überhaupt nicht gut. Mir war die ganze Nacht übel, obwohl ich nach dem Telefongespräch mit Eric den restlichen Wein im Ausguss entsorgt habe. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich Fieber bekomme. Scheinbar ist eine Grippe im Anmarsch.
„Du siehst gar nicht gut aus“, bemerkt auch meine Kollegin Martina.
„Ich glaube, ich brüte was aus. Mir war schon die ganze Nacht übel.“ Martina legt mir ihre kühle Hand in den Nacken und jagt mir damit einen Schauer über den Rücken.
„Du bist glühend heiß. Willst du nicht nach Hause gehen? Ich komme hier klar.“
„Ich bin doch gerade erst angekommen. Die Chefin wird nicht begeistert sein.“
Martina sieht mich besorgt an. Sie war immer schon sehr mütterlich zu mir. Sie ist Mitte 40 und hat selbst keine Kinder. Auch wenn ich sie wirklich sehr mag und mich eigentlich danach sehne, tut es mir weh, wenn sie sich um mich sorgt. Es erinnert mich zu sehr an meine Mutter.
„Süße, mit der Chefin werde ich fertig. Du siehst aus wie der Tod und gehst jetzt nach Hause. Wenn du dich vor den Kindern übergibst, hat keiner was davon. Schaffst du es nach Hause, oder soll ich deinen Bruder anrufen?“
„Nein, ich komme schon klar. Danke, Martina. Ich melde mich, wenn ich Genaueres weiß.“
„Kein Problem, Nina. Ich hol mir gleich unsere Praktikantin und dann passt das schon.“
Ich verabschiede mich kurz von den Kindern und meiner Kollegin und mache mich dann auf den Weg zu meinem Auto. Mir geht es minütlich schlechter und ich überlege, ob ich nicht doch besser Thorsten anrufen soll.
Mit kurzen Zwischenstopps, um gegen den Schwindel zu kämpfen, finde ich doch heil meinen Weg nach Hause. Ich schaffe es gerade noch in die zweite Etage, um an Thorstens Tür zu klingeln. Mein Puls rast und mein Herz scheint mir aus dem Hals springen zu wollen. David öffnet mir. Seine Miene wird
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