Eine zweite Chance
dachte Anders. Entlang der restlichen Wand hingen Vogelhäuschen, Angelgeräte, geflochtene Körbe, Plastikeimer, altertümliche Geräte und andere Utensilien, deren Nutzen schwer zu erraten war. Ein geräumter Pfad führte bis zur kleinen Steintreppe, und aus dem Schornstein stieg blaugrauer Rauch. Der Mann war hinter der Hausecke verschwunden. Anders folgte ihm. Auf der Rückseite gab es einen offenen Holzschuppen, und da stand er nun und stapelte die Äste und Stöckchen, die er im Wald gesammelt hatte. Als Anders auftauchte, unterbrach er seine Arbeit und sah auf.
»Ach, da sind Sie ja doch.«
Anders lächelte und tat die letzten Schritte nach vorn.
»Ich habe Sie da hinter der Fichte geduckt gesehen und dachte, Sie hätten sich vielleicht verirrt oder so. Gleich da drüben verläuft ja ein Wanderpfad, sodass im Sommer dort meist viele Leute unterwegs sind, aber um diese Jahreszeit sind es nicht viele, die vorbeikommen.«
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»Hier draußen im Wald haben Sie es gemütlich, muss ich sagen. Es muss schön sein, dem Trubel zu entkommen, man wird in Frieden gelassen, kann ich mir denken.« Er ließ sich von dem Ast inspirieren, der auf den Holzstoß gelegt wurde. »Und Holz gibt es auch reichlich, wie ich sehe.«
Der Mann schaute auf den Stapel. »Oh ja, dieses Holz wärmt dreimal. Zuerst wenn man es sammelt und nach Hause trägt, dann wenn man sägt und hackt. Und dann natürlich, wenn man damit heizt, aber das begreift ja jeder.« Er legte die letzten Äste ab und strich mit den Händen über die Fleecejacke. »Eine Tasse Kaffee wollen Sie doch sicher haben, wenn Sie schon hier sind. Verner heiße ich.«
Anders nahm seine ausgestreckte Hand, deren Griff fest und deren Haut trocken und schwielig war. Er sagte seinen Namen, und Verner hielt ihn eine Spur länger als gewöhnlich fest. Er schaute Anders an, als hätte er etwas Seltenes erblickt.
»Sieh mal an«, sagte er dann wie zu sich selbst und ließ los. Anders dachte, er hätte vielleicht Schmutz im Gesicht.
Schweigend gingen sie zum Häuschen zurück. Verner voran und Anders hinterher, er nutzte die Gelegenheit, kurz unbeobachtet zu sein, und massierte sich die Schläfen. Die Schmerzen hatten jetzt nachgelassen, waren aber immer noch spürbar. An der Haustür begegneten sie einer schwarzweißen Katze, die sich schnurrend an Verners Beine schmiegte. Er beugte sich hinunter und strich ihr über den Rücken.
»Du kleine Mieze, du hast es gut, du begreifst nur das, was du brauchst.«
Die Katze schlüpfte in das Häuschen, als Verner die Tür öffnete und eintrat. In der Diele war nur Platz für einen, und Verner war stehen geblieben, um sich die Stiefel auszuziehen.
»Kommen Sie nur herein, der Kaffee wird bald fertig sein, ich habe schon Feuer im Herd.«
Das Häuschen war nicht dafür gemacht, Besuch zu empfangen. Das Zimmer, in dem Anders stand, war so vollgestopft, dass man die Möbel kaum erkennen konnte. Krempel und Bücher waren vom Boden bis zur Decke gestapelt, und in dem kleinen Gang, der offen gelassen worden war, hinterließen Anders’ nasse Socken Fußabdrücke. Der Geruch war eine Mischung aus Bratenfett und Terpentin, und hin und wieder auch einem Hauch von Schimmel. Erst war er blind für die Details, aber bald entdeckte er Dinge, die im Wald von Norrland überraschend waren. Eine afrikanische Göttermaske aus Holz war an eine kahle Wandfläche gepresst, und an den Bücherstapeln darunter lehnte ein mit japanischen Zeichen verzierter Bronzeschild. In einem Wirrwarr von Einmachgläsern, Tongefäßen, Plastikkanistern und Farbdosen stand eine halbmeterhohe Statue der Freiheitsgöttin. Zuoberst auf einem der Bücherstapel balancierte eine perlmuttschimmernde Schnecke, groß wie der Schädel eines Kleinkinds. Anders versuchte vergeblich, das Bett auszumachen, unter dem der Nachbar die Gitarre entdeckt hatte. Er blieb an einem Bücherstapel stehen, und sein Blick fiel auf einen schön gebundenen Lederband. Er streckte die Hand aus, um ihn herauszuziehen.
»Vorsicht, da ruht das ganze Haus drauf.« Verner stand in der Tür, mit zwei unterschiedlichen Bechern in den Händen. Anders erwiderte sein Lächeln. Schritt eins war ihm gelungen. »Es ist etwas eng, wir müssen in das andere Zimmer gehen, wenn wir Platz haben wollen, um uns zu setzen. Man hat ja einiges gesammelt im Lauf der Jahre.«
»Ja, das sehe
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