Eine zweite Chance
Entschuldigung. Ich weiß nicht, warum ich davon ausgegangen bin, dass du diejenige warst, die … Es kam mir nur seltsam vor, dass … na ja, okay, hat er es nicht bereut?«
Sie kniff die Augen zusammen, in einem Versuch zu erkennen, ob sie gerade ein Kompliment bekommen hatte. Sicher war sie sich nicht, es war viel Zeit seit dem letzten Mal vergangen, und ihre Ohren waren nicht mehr daran gewöhnt. Außerdem waren sie gerade von einem angenehmen Rauschen erfüllt. »Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.«
Er beugte sich vor und stützte das Kinn auf die Faust. »Hättest du gern, dass er es täte, es bereuen?«
Nein, war ihr erster Gedanke. Woher er kam, war ihr weniger klar. Denn natürlich wollte sie, dass Martin es bereute, es war ja sein Entschluss, der sie so wütend gemacht hatte. Das Versprechen, das er gebrochen hatte, der Pakt, den sie geschlossen hatten, die Verpflichtung gegenüber Emelie. Die Zukunft, die er ihr geraubt hatte. Aber der Gedanke war seinen eigenen Weg gegangen.
»Ich weiß nicht recht.«
Er machte eine vage Geste zum Inneren des Hauses hin. »Stell dir vor, die Tür würde aufgehen und er käme jetzt herein. Er würde sagen, er habe es bereut und wolle nichts lieber, als zurückzukommen. Was würdest du dann sagen?«
»Geh zum Teufel, vermutlich.«
Er lachte. »Aber wäre das dein Ernst?«
»Ach, ich weiß nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß, dass das passieren wird, deshalb ist das nichts, worüber ich nachgedacht habe. Müssen wir über ihn reden?«
Die Gedanken an Martin störten sie. In diesem Zusammenhang war er nicht vorhanden. Und sie wollte es so, dass er nicht vorhanden war. In überhaupt keinem Zusammenhang.
Sie sah, dass er sie betrachtete, einen Arm auf dem Tisch ruhend, den anderen als Stütze für das Kinn. Er schaute sie nachdenklich an, ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Sie hatte sich vor ihm entblößt und verspürte nun das Bedürfnis, das Gleichgewicht wiederherzustellen. »Warum warst du nicht gut in Liebesbeziehungen?«
Das saß, das sah sie. Er richtete sich auf, und der Blick, der gerade noch offen gewesen war, schien sich ihr plötzlich zu verschließen. »Hoppla! Und schon ändern wir das Gesprächsthema.«
»Nein, wir haben nur den Fokus etwas nach Westen verschoben.«
Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Ist das Westen?«
»Na, erzähl du mir was von Themawechsel.«
Ihre Blicke verhakten sich eine Spur zu lange ineinander. Seiner ließ zuerst los. Er richtete sich auf etwas in der Ferne und nahm dann einen Umweg rings um die Glasveranda. Seine Hand lag auf dem Tisch und drehte das Weinglas. Hin und her, jeweils eine halbe Drehung. Sie betrachtete seine langen Finger mit den sorgfältig geschnittenen Nägeln. Hier und da ein Fleck Farbe aus den Hotelzimmern, bei deren Fertigstellung er ihr half. Er war ein Verbündeter, ein Helfer in der Not. Aus dem Nirgendwo war er aufgetaucht, und in diesem Moment spielte es keine Rolle, dass sie nichts von ihm wusste. Es genügte, dass er dort an der anderen Seite des Tisches saß und ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Dass sie diesen Abend mit ihm hatte.
Plötzlich wünschte sie, dass diese Hände die ihren berührten. Dass sie sie berühren wollten , sie anziehend fänden. Sie wünschte, diese Finger würden sich mit den ihren verhaken, sie nicht loslassen, und wenn, dann nur, weil es so vieles mehr zu entdecken gab. So unendlich viel Zeit war seit dem letzten Mal vergangen.
Das Licht in der Laterne erlosch, und ihr Blick glitt zurück zu seiner Hand. Da war der Trost, den sie ersehnt hatte. Der das Gefühl der Minderwertigkeit durchdringen und sie davon überzeugen würde, dass sie noch etwas wert war.
Für einen anderen als Martin.
Kapitel 17
Die Frage, ob er verheiratet sei, kam unerwartet. Rasch rutschte er von den geruhsamen Gedanken über Verner und die anderen, von denen Helena erzählt hatte, direkt in sein eigenes Privatleben hinein. Ziemlich verwirrt war er mit einem Mal, denn mittlerweile schien es so fern. Nicht nur die tatsächlichen Meilen, die zwischen ihm und seiner gewöhnlichen Umgebung lagen, sondern auch ein angenehmer Nebel hielt es auf Abstand.
Er trank von dem Wein.
Sie wirkte aufrichtig erstaunt über seinen Kommentar zu den Frauen in seinem Leben. Dass er sich nie hatte binden wollen. Er dachte über seine spontane Antwort nach und erkannte, dass er mehr preisgegeben hatte als beabsichtigt. Denn das war eigentlich der Schlüssel zu seiner
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