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Einem Tag in Paris

Einem Tag in Paris

Titel: Einem Tag in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Sussman
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schmeckt es nach nichts.«
    »Was ist denn zwischen dir und Emily passiert?«
    »Nichts, Dad. Das Leben. Wir sind erwachsen geworden. Ich bin weggezogen, sie ist zu Hause geblieben. Menschen verändern sich.«
    »Ich verändere mich nicht.«
    »Gott sei Dank.«
    »Machst du dich über mich lustig?«
    »Niemals.«
    Er lächelte, und sie dachte an ihre Mutter, wie sie neben ihm gesessen hatte, beide klein und ein bisschen untersetzt, und wie sie beide wegen jeder Kleinigkeit gestritten und sich gegenseitig einen Klaps auf den Arm gegeben hatten. Josie war immer etwas peinlich berührt von ihren Eltern, peinlich berührt von ihrer Liebe zu ihnen. Doch dann, als ihre Mutter starb, sehnte sie sich nach den Geräuschen der beiden.
    »Du könntest eine Freundin haben«, sagte Josie sanft. »Es ist lange genug her.«
    »Ha«, sagte ihr Vater. »Meinst du etwa, dass es irgendwo dort draußen eine zweite Franny gibt?«
    »Nein.«
    »Sie war einzigartig.«
    »Ich weiß. Vielleicht ist die Nächste auf eine andere Weise einzigartig.«
    »Es gibt keine Nächste.«
    »Du könntest es versuchen.«
    »Soll Emily ihren Freund mal fragen, ob er in der Kanzlei irgendwelche netten Männer für dich hat?«
    »Nein, Dad.«
    Das Telefon klingelte. Sie war mit einem Satz dort.
    »Hallo?«
    »Ich vermisse dich.«
    »Mein Dad ist zu Besuch. Kann ich dich später zurückrufen?«
    »Nein. Ich bin auf dem Weg zu meiner Besprechung. Ich wollte dir nur sagen …«
    Er sagte nichts. Sie wartete. Sie beobachtete ihren Dad, der lustlos mit seinem Brot spielte.
    »Wird er heute Abend noch bei dir sein?«
    »Nein.«
    »Dann komme ich vorbei.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Hey, Whitney. Mein Dad will, dass ich anfange, mich mit Männern zu verabreden. Kennst du vielleicht irgendwelche brauchbaren Singles, mit denen du mich verkuppeln könntest?«
    »Lass das.«
    »Okay. Dann denk darüber nach. Er hat recht. Ich sollte einen Freund haben. Ich sollte mich in jemanden verlieben und ihn meinem Dad vorstellen.«
    Ihr Dad nickte lächelnd, die Lippen mit Boysenbeermarmelade verschmiert.
    »Ich wollte dir sagen, dass ich dabei bin, mich in dich zu verlieben«, sagte Simon.
    »Das gibt’s doch nicht«, sagte Josie. »Ein paar Typen musst du doch kennen. Die guten können doch nicht alle verheiratet sein.«
    »Hör auf damit.«
    »Mein Vater würde Sie mögen«, sagt Josie zu Nico. Sie stehen nebeneinander und starren auf ein Foto von Marilyn, nackt, einen hauchzarten Schleier über ihren Körper geworfen.
    »Nicht Ihre Mutter? Normalerweise sind es die Mütter, die bezaubert von mir sind.«
    »Meine Mutter ist tot.«
    Sie geht zum nächsten Foto an der Galeriewand – Marilyn, die einen langen, trägen Zug an ihrer Zigarette nimmt.
    »Lungenkrebs. Vor acht Jahren. Sie hat in ihrem ganzen Leben nicht eine Zigarette geraucht.«
    »Das tut mir leid.«
    »Mein Vater hat geraucht. Hat an dem Tag aufgehört, an dem sie die Diagnose bekommen hat. Ein bisschen zu spät.«
    »Sie müssen noch sehr jung gewesen sein.«
    »Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen, die ich noch nie jemandem erzählt habe. Vom Tod meiner Mutter.«
    Er blickt zufrieden. Dieser Mann ist viel zu locker.
    »In jenem letzten Winter verbrachten meine Eltern einen Monat in Palm Springs bei meiner Tante. Ich flog ein paar Tage, bevor meine Mom starb, zu ihnen und dann mit meinem Dad zurück. Der Leichnam meiner Mutter wurde ebenfalls zurückgeflogen – Dad wollte, dass sie auf einem Friedhof in der Nähe ihres Zuhauses beigesetzt wurde. Ich hatte die Kleider meiner Mutter eingepackt, in denen wir sie beerdigen lassen wollten. Während wir am Flughafen von San Francisco auf unser Gepäck warteten, vor dem …« Josie bricht ab. Auf einmal ist sie wieder dort, wartet auf die Koffer, erzählt keine Geschichte mehr. In Palm Springs war es glühend heiß gewesen, und in dem Moment war es eiskalt, selbst im Flughafengebäude. Ihr Mantel war in ihrem Koffer, und sie stand mit klappernden Zähnen da und wartete auf ihr Gepäck.
    »Ja?«
    »Ich weiß das Wort nicht.«
    »Welches Wort?«
    »Für dieses Ding, auf das die Koffer fallen. Das – o mein Gott, ich weiß das Wort nicht einmal mehr in meiner eigenen Sprache.«
    »Le carrousel de bagages?«
    »Ja. Gepäckkarussell. Das ist das Wort.«
    »Erzählen Sie mir die Geschichte.«
    Josie spürt Panik in sich aufsteigen. Sie sieht sich um. Marilyn, eine Zigarette, ein Martini, gespitzte Lippen, lange, manikürte Fingernägel. Marilyn, Marilyn. Sie

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