Einem Tag in Paris
versetzt, und Josie holt einmal tief Luft.
»Gefällt es Ihnen?«, fragt er stolz.
»Sehr.«
»Ich wusste es«, sagt er.
Sie werden an einen Tisch in der hinteren Ecke des kleinen Raums geführt, und Nico bestellt einen pichet Roséwein.
Während er mit der Bedienung spricht, folgt Josie dem dunklen Pfad der Erinnerung zu der Beerdigung. Selbst dieses fröhliche Restaurant kann sie nicht retten.
Sie erinnert sich, wie Simons Frau – Bradys Mutter – vorn in der Kirche stand. Die Frau trat von ihren Schwestern, ihrer Mutter und ihren Freunden vor zu den beiden Särgen. Niemand wagte es, sich an ihre Seite zu stellen. Das war ihre Trauer, ihr verheerender Verlust. Sie ließ sich auf die Knie fallen und wimmerte, ein Geräusch, das in der ganzen Kirche widerhallte. Josie wandte sich ab und ging zurück zu ihrem Wagen, der fast eine Meile weit entfernt stand, da so viele Leute gekommen waren. Auf dem langen Fußweg zurück ballte sie die Fäuste, bis sich ihre Fingernägel in ihre Handflächen bohrten und bluteten. Sie hatte Simon verloren, und jetzt hatte sie auch noch das Recht auf ihre Trauer verloren.
Liebe mich. Josie hatte nie gewusst, dass sie die Art von Leidenschaft im Leben brauchte, die sie aus dem Gleichgewicht warf, sie in höhere Sphären hob. Sie hatte sich immer für ein bisschen zu leicht für die Liebe gehalten. Mit Simon verlor sie die Orientierung, gab sich der Liebe hin. Und die Liebe erfüllte sie, machte sie schwerer, voller, reicher.
»Mein Freund ist gestorben«, sagt sie laut.
Nico sieht sie verblüfft an. Die Bedienung kommt mit dem pichet Wein, und sie schweigen, während sie ihnen einschenkt. Sie legt Speisekarten auf den Tisch und entfernt sich.
»Ich habe gelogen«, sagt Josie. »Ich bin nicht mit einer Freundin hier. Ich bin allein. Ich sollte mit ihm nach Paris kommen. Mit Simon.«
»Was ist passiert?«, fragt Nico sanft.
»Vor drei Wochen ist er mit seinem Sohn Brady nach Santa Barbara geflogen, um sich die Universität dort anzusehen. Simon fliegt sein eigenes Flugzeug – er ist gut, er fliegt seit Jahren. Man weiß nicht, was passiert ist. Das Flugzeug ist in den Hügeln über Santa Barbara abgestürzt. Beide wurden getötet.«
»O mein Gott.«
»Ich konnte mit niemandem darüber reden. Zuerst war er mein Geheimnis. Und jetzt ist meine Trauer mein Geheimnis. Ich war seine Geliebte, nicht seine Ehefrau.«
»Das Kind ist von ihm.«
»Ja. Ich wusste es nicht. Aber ich bin mir sicher, dass ich schwanger bin.«
Nico streckt eine Hand über den Tisch aus und legt sie auf Josies. Tränen laufen ihr wieder übers Gesicht.
»Er hat eine entzückende Ehefrau. Sie hat alles verloren. Ich habe einen Liebhaber verloren. Ich habe kein Recht auf diese Trauer. Er hat nicht mir gehört. Brady hat nicht mir gehört. Ich habe einer anderen Frau die Liebe gestohlen.«
»Ich glaube nicht, dass Sie Liebe gestohlen haben.«
»Seine Frau hatte seine Liebe verdient. Seine Frau hat diese Trauer verdient. Ich bin niemand. Ich bin zu der Beerdigung gegangen, weil ich Bradys Lehrerin war. Aber das war nur eine Show, das war eine Lüge. Niemand weiß von der Sache mit mir. Und wenn sie es wüssten, würden sie mich hassen.«
»Es ist egal, was andere Leute wissen. Oder was sie denken.«
»Sie sind ein Fremder. Sie sind Franzose. Was wissen Sie denn schon?«
Nico lacht, und auf einmal lacht Josie ebenfalls, verblüfft sich selbst damit. Sie trinkt ihren Wein, der so leicht und kühl wie eine Brise ist.
»Fahren wir in die Provence«, sagt sie.
»Für eine Französischstunde?«, fragt Nico lächelnd.
»Ja«, sagt Josie. »Brennen Sie mit mir durch.«
»Avec plaisir«, sagt Nico, und dann steht die Bedienung vor ihnen, den Stift über ihrem Block haltend.
Nico bestellt für sie beide, aber er wirft dabei einen Blick auf Josie, um sich zu vergewissern, dass es ihr recht ist. Sie nickt zustimmend.
»Heute?«, fragt Nico, als die Kellnerin gegangen ist. »Mit dem nächsten Zug?«
»Warum nicht?«
Sie stoßen an.
»Vielleicht sollte ich nichts trinken«, sagt Josie. »Das Baby.«
»In Frankreich sagt man, ein, zwei Gläser Wein sind gut für das Baby.«
»Bien sûr.« Josie trinkt einen Schluck.
Ihr ist schwindelig, als sei ihr der Wein bereits zu Kopf gestiegen. Vielleicht liegt es an den Worten, die in ihrem Kopf nachhallen: Mein Freund ist gestorben. Endlich hat sie es ausgesprochen.
»Und es gibt also keine Freundin, die heute in den Kunstgalerien ist?«
»Whitney hält
Weitere Kostenlose Bücher