Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Titel: Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi , Stephanie Gleißner
Vom Netzwerk:
kommen, wir hätten drei Tages- und Wochenzeitungen abonniert und würden über jede schimpfen, auf dem Tisch stünde ein Strauß Tulpen, und Nina Simone würde singen. In der Wirklichkeitverschlechterte sich Franks Laune, seine Übergriffe wurden unvorhersehbar und wütend. Es lohnte sich, nicht mit dem Warten und Träumen aufzuhören.
    Dann, an einem Abend, kam Zorah ins Büro. Frank war schon gegangen, ich hatte sie zwei Wochen nicht mehr gesehen.
    »Gut, dass du noch da bist. Ich habe gehofft, dass du noch da bist. Hast du Zeit, eine Runde mit mir um den Block zu drehen?«, fragte sie. Auch Zorah hatte gewartet und geträumt und sich die falschen Fragen gestellt. »Ich weiß nicht, wann es angefangen hat«, sagte sie, »aufgefallen ist es mir nach Pauls Geburt, aber da dachte ich, es sei einfach die Umstellung.« Sie machte eine Pause. »Aber es ist ja auch egal, ich habe oft genug versucht, mit ihm zu reden. Ich kann nicht mehr.« Sie sprach ruhig, beherrscht und müde, wie jemand, der viel geweint hatte, wie jemand, der in der Erschöpfung klarsichtig wurde. »Ich werde mich scheiden lassen.«
    Es war Vorfrühling. Wir saßen im Dunkeln auf den Schaukeln am Spielplatz, unsere Füße hingen in den Schneematsch. Mein Kopf war leer.
    »Weißt du noch, wie Paul seinen Dinosaurier hier verloren hat im Herbst?«, fragte ich sie.
    »Natürlich. Paul war nicht so doof. Der hat das nicht geglaubt, dass das derselbe Dinosaurier sein soll, als ich ihm zwei Tage später einen neuen nachgekauft habe.« Sie lachte und fing an zu schaukeln.»Weißt du, was ich mir überlegt habe?«, rief sie mit alter Begeisterung, sie schaukelte jetzt weit oben, »wir könnten doch zusammenziehen?«

18.
    Die Eltern wussten nichts von unseren Samstagnächten. Wir mussten auch keine Anstrengungen unternehmen, sie zu täuschen. Wir gingen und kamen, wann wir wollten. Die Eltern waren anderweitig beschäftigt. Vieles bereitete ihnen Sorge, wir nicht. Wir waren Klassenbeste und ruhig und strebsam, wir lachten nie nett, und keiner der jungen Hinterlandmänner wollte sich uns von seiner besten Seite zeigen. Es war nicht nötig, mit Argusaugen über uns zu wachen.
    Wir hatten in einem kahlen Vorfrühlingswald auf einer Schicht ausgetrockneter brauner Blätter getanzt, den Kopf in den Nacken gelegt, waren wir den glatten Ahornstämmen bis in die ausgemergelten Kronen hinauf gefolgt, jetzt wurde die Musik langsamer und leiser, schließlich ging das Licht an, und wir sahen Risse und Flecken auf der Fototapete. Wir wollten das alles nicht sehen, wir wollten auch nicht miteinander reden müssen, wir wollten vor dem Herumgestiere der Stadtjugend fliehen, wieder hinein in diese Fototapetenwälder. Doch das Licht wurde greller, wir senkten den Blick, stolperten überumgekippte Bierflaschen zurück an die Bar. Ein junger Mann kam mit großen, wippenden Schritten auf uns zu. Johanna wich sofort zur Seite aus.
    »Schnell weg«, murmelte sie, »der kommt zu uns, der spricht uns gleich an.«
    Sie drehte sich in die andere Richtung, doch der junge Mann ließ sich davon nicht abschrecken. Er trug schmale Anzughosen mit scharfer Bügelfalte, ein weißes Hemd und eine ebenfalls schmale schwarze Krawatte, über den Arm hatte er einen khakifarbenen Parka gelegt. Er war überhaupt nicht müde.
    »Hallo, ich bin der DJ«, stellte er sich vor.
    Ich musste lachen und nahm die Hand, die er uns entgegenstreckte.
    »Ja, schön«, sagte ich.
    Er lachte auch.
    »Na, und wer seid ihr?«
    »Wir haben getanzt«, sagte ich.
    »Ja, der Hammer, wie ihr abgegangen seid!«
    Johanna verbarg ihr Missfallen jetzt nicht mehr, sie schaute ihn etwas angeekelt von der Seite an. Er schien das nicht zu bemerken, er fragte munter weiter.
    »Ihr seid nicht von hier, oder?«
    »Steht uns das auf der Stirn geschrieben?«, fragte ich.
    »Ja, schon! Aber nicht negativ oder so … ihr fallt halt auf.«
    Johanna fiel ihm ins Wort.
    »Apropos, wir müssen jetzt los, sonst kriegen wir den Zug nicht mehr«, sie zog mich am Arm Richtung Ausgang. In ihrem Schlepptau drehte ich mich noch mal um und lächelte dem DJ entschuldigend zu.
    »Ich heiße übrigens Severin. Ich lege jeden dritten Samstag im Monat hier auf, würde mich freuen, wenn ihr wiederkommt«, rief er uns hinterher.
    Später im Zug, ich hatte meinen Kopf auf Johannas Schulter gelegt und versuchte zu schlafen, sagte sie in die Stille des Abteils hinein: »Ja, wir kommen wieder. Einmal im Monat ist gut, dann nutzt es sich nicht so schnell

Weitere Kostenlose Bücher