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Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Titel: Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi , Stephanie Gleißner
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sind arm. Doch die Journalisten beschweren sich, es erscheint ihnen alles wenig authentisch.
    Nach der Arbeit brachte Frank mich nach Hause. »Ich komm noch mit rein auf einen Kaffee«, sagte er, auf seine dümmliche Art betont ironisch. Ich sagte nicht ja und nicht nein. Ich ließ es geschehen, beobachtete mich und ihn aus weiter Entfernung mit kalter Neugier. Nach ein paar Wochen, als ich alle Texte geschrieben hatte, kam Zorah ins Büro, um mir bei der Übersetzung zu helfen. Sie kam am späten Nachmittag, wenn die Novemberdämmerung in Dunkelheitüberging und die Abstände, in denen Frank die Cafeteria aufsuchte, kürzer wurden. Sie trug einen khakifarbenen Daunenanorak, ihr Hals und die Hälfte ihres Oberkörpers verschwanden unter mehreren Wicklungen eines rostroten Schals. Sie wirkte immer so, als hätte sie gerade ein Abenteuer erlebt, als sei sie eben noch von einem Zug abgesprungen oder beim Schwarzfahren den Kontrolleuren entwischt, in einer Hand einen angebissenen Apfel und einen Waschmittelkarton voll Spielzeug, auf dem anderen Arm Paul, der sich von dem Trubel, den seine Mutter verbreitete, nicht beeindruckt zeigte, sondern freundlich in der Gegend herumschaute oder Zorahs Haare um seinen kleinen Finger wickelte. Sie drückte mir Paul in den Arm, breitete eine Decke auf dem Boden aus, leerte das Spielzeug aus dem Karton darauf aus und setzte den Jungen in die Mitte. Dann kam sie zu mir an den Schreibtisch, stellte sich hinter mich, legte eine Hand auf meine Schulter und beugte sich über mich Richtung Bildschirm. Beim Lesen verengte sie die Augen zu Schlitzen. Sie war kurzsichtig.
    »Na, wie geht es dir? Was steht an?«
    Wir lasen uns die Texte gegenseitig vor, feilten an Formulierungen, sichteten Bilder für die Website, entschieden uns für Hintergrundfarben. Abends verließ Frank meist vor uns das Büro.
    »Kannst du Paul schon mal mitnehmen, ich komm gleich nach«, bat Zorah ihn dann.
    Frank schleuderte Pauls Spielsachen geräuschvoll in den Karton. Wir sollten daran sein Missfallen erkennen. Wir erkannten es, und es war uns egal. Wenn Frank gegangen war, begann Zorah zu erzählen. Von ihrer Schulzeit in einem Schweizer Internat, davon, dass sie dort keinen Anschluss gefunden hatte, dass sie, wenn sie sich besonders einsam fühlte, ins Dorf in eines der alten Gasthäuser gegangen war. Dass sie ganze Nachmittage in den dunklen, holzgetäfelten Stuben verbracht hatte. Sie erzählte von ihrer Mutter, die nach der Trennung wieder zurück in ihr Heimatdorf nach Mali gezogen war.
    »Du musst dir das mal vorstellen, sie sitzt da mit gespreizten Beinen in ihrem alten Diplomatengattinnenkostümchen und rupft in ihrem Schoß ein blutiges Huhn.«
    Sie fing immer irgendwo an zu erzählen, kam dann schnell auf etwas anderes, sprang zwischen Schauplätzen, Themen und Jahren hin und her, brachte keine Geschichte zu Ende. Dabei fuchtelte sie mit Armen und Händen herum, manchmal fasste sie mich auch an. Alles Dinge, die ich nicht ausstehen konnte, doch bei ihr machte es mir nichts aus. Bei ihr mochte ich es. Als dann gegen neun das Telefon in diese Unordnung hineinschellte und Zorah sagte: »Der Ehemann ruft«, wir eilig unsere Sachen zusammenpackten und sie mich beim Fahrradständer noch einmal umarmte und: »Bis morgen dann«, sagte undich allein zurückblieb und lächelnd an meinem eingefrorenen Fahrradschloss herumfriemelte, spürte ich, dass sich etwas zum Besseren gewendet hatte.
    Ende Februar begannen die Schulungen zur Konservierung und Restaurierung alter Schriften. Zorah kam jetzt nur noch selten ins Büro. Und obwohl ich sie vermisste, die Nachmittage lang wurden und ich unkonzentriert an den Texten arbeitete, war ich zunächst auch erleichtert. Frank hatte mir in den vergangenen Wochen immer mehr zugesetzt. »Oho, beste Freundinnen«, kommentierte er, wenn Zorah mich, einen Arm um meine Taille gelegt, an ihm vorbei Richtung Cafeteria zog. Er hatte recht. Und trotzdem sagte ich Zorah nicht die Wahrheit, kündigte nicht, brach nicht das Studium ab, kehrte nicht zurück ins Hinterland, nicht zu den Menschen um vier Uhr morgens. Ich blieb und wartete. Und während ich wartete und Zorah vermisste und Frank abwehrte, träumte ich. Ich stellte mir vor, mit Zorah und Paul in einer großen hellen Wohnung zusammenzuleben. Morgens würde ich auf dem Gasherd Espresso kochen, Paul würde auf den Holzdielen seine Spielzeugautos herumschieben, Zorah würde, ihr nasses Haar unter einem Handtuchturban, aus dem Bad

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