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Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Titel: Einen Stein für Danny Fisher: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Robbins
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Kopf. "Ihr habt schon genug von meinem sauer verdienten Zaster eingestrichen!" Ich sah zu Mike hinunter. "Wie wär's mit einem freien Abend?" fragte ich.
    Mike grinste. "Bring für mich auch 'ne Puppe mit, dann wollen wir uns beide 'nen freien Abend machen."
    "Heut nicht, Mike. Ich möcht nach New York fahren. Heut abend ist ja doth nichts zu machen."
    Der Bankhalter begann mich aufzuziehen. "Sie sind wohl zu schwer zu bekommen, was, Danny? Aber paß nur gut auf mit diesen süßen Zuckerpüppchen, eine jede hat einen Bruder in der Armee."
    Mike wurde sehr ernst. "Wozu willst du nach New York fahren?"
    Ich hatte ihm nie viel erzählt, aber er war ein kluger Bursche, er hatte erraten, daß dort etwas für mich schiefgegangen war. Er hatte mir nie eine Frage gestellt und würde auch jetzt keine Antwort erhalten. "Ach, 'nen kleinen Urlaub", sagte ich gelassen und sah ihn an.
    Mike sah auf die Tischplatte, denn die Karten wurden wieder verteilt. Er nahm sie und drehte jede einzeln behutsam um. Sechs. Neun. Sieben. Acht. As. Alle schwarz, alle Treffkarten! Seine Finger umklammerten das Blatt. Ich bemerkte, daß er mich völlig vergessen hatte.
    "Was meinst du also, Mike?"
    Ich stieß ihn in den Rücken.
    Er sah nicht mehr auf. "Okay", sagte er geistesabwesend, "aber sei morgen um elf wieder zurück. In der Zeitung steht, daß es wieder aufklart, und dann fahren wir von hier ab."
    Der Regen schlug noch immer gegen die Fensterscheiben des Zuges, als der schläfrige Schaffner durch das Abteil kam. Er tippte mir auf die Schulter. "Ihre Fahrkarte, bitte." Ich gab ihm schweigend mein Billett. "Abscheuliche Nacht", sagte er und schüttelte den Kopf. Er hatte meine Fahrkarte gelocht und gab sie mir wieder zurück.
    "Ja", antwortete ich und blickte ihm nach. Doch ich war durchaus nicht seiner Meinung. Ich fuhr ja nach Hause! Ich sah auf meine Armbanduhr. New York war nur noch fünfundfünfzig Minuten entfernt.

9
    Ich stieg die Stufen der U-Bahn hinauf. Es nieselte, aber die Menschenmenge in der Delancey Street war ebenso dicht gedrängt wie eh und je. Regen störte sie nicht, sie hatten ja keinen andern Aufenthaltsort, und es war immer unterhaltend, die Delancey Street entlangzuschlendern, die Schaufenster zu betrachten und zu überlegen, was man sich kaufen würde, wenn man das Geld hätte.
    Während ich wartete, daß das Licht der Verkehrsampel wechselte, zündete ich mir eine Zigarette an. Die Schaufenster hatten sich nicht verändert, sie würden sich auch nie verändern. Das Herrenmodegeschäft pries noch immer seine Gelegenheitskäufe an; das Backwerk und die Brote in Ratners Schaufenster sahen noch genauso aus wie das letzte Mal, als ich noch hier war; der Würstchenstand an der Ecke der Essex Street war ebenso dicht umdrängt wie stets.
    Der Verkehr stockte eine Sekunde, dann konnte ich die Straße überqueren. Es hatte sich nicht das geringste verändert. Dieselben Bettler verkauften ihre Bleistifte, dieselben Dirnen taxierten die Männer mit müden, desillusionierten Augen. Doch ich hatte mich verändert. Ich erkannte das, als eine der Dirnen sich an mich drängte und mir im Vorbeigehen etwas zuflüsterte. Ich sah ihr lächelnd nach. Vor zwei Jahren wäre das noch nicht passiert, damals war ich noch ein grüner Junge.
    Ich schlenderte die Straße weiter bis zum Zehn-Cent-Basar. Nellie würde dort sein, davon war ich fest überzeugt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie wußte ich, daß sie dort sein würde. Die Uhr im Paramount-Fenster zeigte fünf Minuten vor neun. Noch fünf Minuten und das Geschäft würde schließen, und sie würde herauskommen. Auf einmal hatte ich Angst, sie wiederzusehen. Ich fragte mich, ob sie sich nicht auch stark verändert hatte. Vielleicht hatte sie mich vergessen, vielleicht hatte sie einen andern Freund. Zwei Jahre sind für ein Mädchen eine lange Wartezeit, besonders wenn sie nichts von dem Geliebten hört. Und ich hatte nie geschrieben.
    Ich stand vor dem Eingang und sah hinein. Es waren nicht mehr viel Leute in dem Laden, aber ein nervöser Widerwille hielt mich davon ab, die Schwelle zu überschreiten. Vielleicht wollte sie mich nicht mehr sehen. Ich stand da, zögerte einen Augenblick, dann ging ich bis an die Ecke zurück.
    Jetzt stand ich unter der Straßenlampe — es war dieselbe Straßenlampe, unter der ich immer auf sie gewartet hatte. Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Laternenpfahl und rauchte eine Zigarette, ohne den Regen zu beachten, der auf mich herunterströmte.

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