Einen Stein für Danny Fisher: Roman
meine Stimme zu legen, als ich vermochte. "Es war nicht deine Schuld, Nellie. Niemand war schuld daran. Es war Gottes Wille."
Ihre Augen waren vor Schmerz tiefschwarz und schimmerten nur matt in ihrem blassen Gesicht. Langsam schüttelte sie den Kopf. "Nein, Danny", sagte sie in hoffnungslosem Ton, "es war meine Schuld . . . meine Schuld von allem Anfang an. Ich habe eine Sünde begangen, und durch mich hatte auch sie Anteil daran. Sie mußte für meine Sünde bezahlen, nicht ich! Ich hätte es besser wissen müssen! Wie durfte ich annehmen, ich verstünde es besser als Gott!"
Als sie jetzt zu mir aufsah, flammten ihre Augen in einem Fanatismus, den ich bisher nie bemerkt hatte. "Ich habe gesündigt und in Sünde gelebt", fuhr sie düster fort, "ich habe nie versucht, Gottes Segen für meine Ehe zu erbitten. Ich war bereit, mich mit den Worten der Menschen zu begnügen. Wie konnte, wie durfte ich Seinen Segen für mein Kind erwarten? Pater Brennan hat es mir von allem Anfang an gesagt."
"Pater Brennan hat nichts Derartiges gesagt!" rief ich verzweifelt. "Er hat heute in der Kirche gesagt, daß Gott sie liebevoll aufnehmen wird." Ich hielt ihr Gesicht mit beiden Händen umfaßt, "Wir haben uns geliebt und lieben einander noch immer. Das ist alles, was Gott von uns verlangt."
Sie blickte mich an, ihre Augen waren tieftraurig, und ihre Hand berührte mich flüchtig. "Armer Danny", flüsterte sie leise, "du kannst es einfach nicht verstehen."
ich starrte sie an. Sie hatte recht — ich verstand sie nicht. Liebe ist etwas, das zwischen Menschen entsteht, und wenn sie echt ist, ist sie auch gesegnet. "Ich liebe dich", sagte ich.
Sie lächelte unter Tränen, erhob sich und sah mitleidig auf mich herab. "Armer Danny", wiederholte sie, "du glaubst, daß deine Liebe alles ist, wessen du bedarfst, und kannst nicht verstehen, daß es für Ihn nicht genug ist."
Ich küßte ihre Hand. "Für uns war es immer genug."
In ihre Augen trat ein abwesender Blick. "Das war eben falsch, Danny", sagte sie mit einer Stimme, die wie aus weiter Feme kam, "auch ich glaubte, daß es für uns genügt, aber jetzt weiß ich, wie sehr ich gesündigt habe." Ich fühlte noch, wie sie mir mit der Hand leicht über das Haar strich. "Wir müssen aber auch mit Gott leben, nicht bloß miteinander."
Damit verschwand sie im Schlafzimmer und schloß die Tür hinter sich. Ich hörte noch das Krachen des Bettes, als sie sich niederlegte, dann herrschte tiefe Stille. Ich zündete mir eine frische Zigarette an und blickte aus dem Fenster. Es hatte zu regnen begonnen. Es war ein Tag, den man vergessen muß. Die Totenstille begann mir bis ins innerste Mark zu kriechen.
5
Eine eigenartige Unempfindlichkeit hatte sich meines Körpers bemächtigt, durch die sich ein seltsamer, halb wacher, halb schlafender Zustand einstellte. Es war beinahe so, als wäre mein Körper eingeschlafen, während mein Denken wach geblieben war. Ich hatte jeglichen Zeitbegriff verloren, nur meine Gedanken waren frisch und lebendig. Halbgeformte, ganz undeutliche Erinnerungsreste gingen mir durch den Kopf, während mein Körper kalt und unberührt von dem Schmerz blieb, den sie mit sich brachten.
Deshalb hörte ich wohl auch die Türglocke beim erstenmal nicht, das heißt, ich hörte wohl den Ton, vermochte ihn aber nicht richtig einzuordnen. Beim zweitenmal war er bedeutend eindringlicher, fordernder. Stumpfsinnig überlegte ich, wer an der Türglocke läuten mochte.
Es läutete wieder, diesmal drang das Geräusch über meine Bewußtseinsschwelle. Ich sprang von meinem Sessel auf. Ich erinnere mich, während ich zur Tür schritt, einen Blick auf die Uhr geworfen zu haben, und an meine Überraschung, daß es erst drei Uhr war. Mir schien es, als sei seit diesem Morgen ein ganzes Jahr verstrichen.
Ich öffnete die Tür. Ein fremder Mann stand vor mir. "Was wünschen Sie?" fragte ich. Ein verdammt falscher Zeitpunkt, um von einem Hausierer belästigt zu werden.
Der Fremde zog eine Brieftasche aus seinem Rock und hielt sie mir geöffnet hin, und zwar so, daß ich das rote Dienstabzeichen sehen konnte, das angeklebt war: "N. Y. C. Wohlfahrtsamt, Erhebungsbeamter."
"Mr. Fisher?" fragte er.
Ich nickte.
"ich heiße Jim Morgan und bin vom Wohlfahrtsamt", sagte er ruhig, "kann ich Sie einen Augenblick sprechen? Ich habe Ihnen einige Fragen zu stellen."
ich starrte ihn an. Für mich war das nicht der geeignete Zeitpunkt, um Fragen zu beantworten. "Könnten Sie das nicht an einem
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